Regensburg (ots) - Regensburg darf sich freuen. Mit dem Haus der Bayerischen Geschichte bekommt es eines der drei, vier modern-sten Museen in Europa, einen Besucher-Magneten und ein Stück Stadtreparatur obendrauf. Über das Geschenk freut man sich in der Stadt aber gar nicht so arg und einvernehmlich, wie man vermuten sollte. Es ist, wie so oft: Wo das Gefühl wallt, haben es Fakten schwer. "Monster", "Klotz" und "scheußlich": Die Zuschreibungen in den sozialen Netzwerken lassen an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Der Daumen, so scheint 's, ist gesenkt. Tatsächlich aber variieren die Meinungen viel stärker, als es Facebook und Co. suggerieren. Es gibt höchst unterschiedliche Lager, auch die differenzierten Kritiker, und neben lauten Gegnern eben auch die vielen Regensburger, die das Haus als willkommenen Beitrag moderner Baukunst in ihrer alten Stadt feiern - auch wenn sie sich nicht im Internet äußern und ihre Stimme im vermeintlichen Mainstream weniger gehört wird. Regensburg ist reich an Substanz aus dem Mittelalter - und arm an aktueller Architektur. Die Angst vor Veränderung liegt wie eine Eisdecke über der Stadt. Was für einen Gewinn neues Bauen mitten im historischen Bestand bringen kann, zeigt seit Kurzem die Synagoge von Volker Staab. Er hat ins Regensburger Welterbe eine Gebäude eingepasst, das so kühn wie rücksichtsvoll gestaltet ist, so kostbar wie unprätentiös. Der Mensch hängt an seinen Vorurteilen und das Neue lehnt er erstmal ganz gern ab. Vor diesem Hintergrund darf man die Synagoge unbedingt als vertrauensbildende Maßnahme verstehen. Gegen Gefühle lässt sich schwer argumentieren. Richard Loibl, Direktor vom Haus der Bayerischen Geschichte, machte die Erfahrung gerade mit der Landesausstellung 2020. "Stadtluft macht frei" sollte sie heißen, nach einem Rechtsgrundsatz aus dem Mittelalter. Der Titel weckte Erinnerungen an den KZ-Schriftzug "Arbeit macht frei", die Ausstellung wurde umbenannt. "Stadtluft befreit" heißt sie nun, auch wenn das historisch gesehen ein rechter Schmarrn ist. Denn "Stadtluft macht frei" drückte ja ein liberales Ideal aus, nämlich den Traum der Leibeigenen vom Land, in der Stadt die Freiheit zu finden. Den Nazis war der Spruch übrigens zu aufgeklärt. Das Beispiel zeigt zweierlei: Erstens ist es nicht verkehrt, sich erst zu informieren, statt der ersten Gefühlswallung zu folgen. Und zweitens: Emotionen sind eine starke Kraft und ein großer Hebel. Genau deshalb spricht das neue Bayern-Museum Herz und Hirn an und setzt weniger auf staatstragende Pretiosen als auf Alltagsdinge, auf Objekte, mit denen Besucher Erinnerungen verbinden. Die Kritik am Museum hat möglicherweise damit zu tun, dass sich viele Regensburger von Anfang an eine falsche Vorstellung von dem Projekt gemacht haben. Ein Gebäude mit 2500 Quadratmetern Schaufläche ist natürlich ein stattlicher Komplex, nicht einfach ein weiteres Haus in der Altstadt. Und weil es eine Ausstellung beherbergt, hat es selbstverständlich eine weitgehend geschlossene Fassade und keine Fensterreihen. Die Form folgt der Funktion, ein Prinzip, das im Bauhaus-Jahr gerade wieder gefeiert wird. Mit den aufragenden und abfallenden Dachlinien und dem Foyer, das ein Stück vom ausgelöschten Stadtgrundriss neu erlebbar macht, spiegelt das Haus die Stadt. Und wer sich darauf einlässt, kann sehen, wie die Fassade je nach Licht Lebendigkeit bekommt. Dass über öffentliche Bauten erst gemeckert und dann geklatscht wird, ist ein bekanntes Phänomen. In Münster etwa ätzten die Bürger gegen das LWL-Landesmuseum. "Betonklotz" hieß es über das 50-Millionen-Euro-Projekt, ebenfalls von Volker Staab geplant. Als das Haus eröffnet hatte, wählten es die Menschen zum beliebtesten Gebäude ihrer Stadt.
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