Bielefeld (ots) - Ohne ihn gäbe es die FDP vielleicht gar nicht mehr. Aber nur mit ihm können die Liberalen offenkundig auch nicht die Rolle spielen, die sie gerne spielen möchten. An Christian Lindner scheiden sich seit jeher die Geister. Blitzgescheit und schlagfertig ist der Mann, aber oft wirken seine Analysen herzlos kühl und ohne jede Empathie. Dass der 40-Jährige an diesem Freitag beim FDP-Bundesparteitag in Berlin als Vorsitzender bestätigt wird, steht außer Frage. Doch damit sind die Probleme nicht gelöst. Der Exodus ist vermieden, doch die Existenzfrage steht im Raum: Wofür braucht es im Jahr 2019 die FDP? Oder in der Sprache der Marktwirtschaft: Was ist der USP, der unique selling point - also das Alleinstellungsmerkmal der FDP? Und damit: Was genau würde eigentlich fehlen, wenn es Lindners Liberale nicht gäbe? Man muss lange überlegen, um am Ende doch keine überzeugende Antwort zu finden. Dabei gäbe es zwischen den streng staatsgläubigen Großkoalitionären aus CDU/CSU und SPD, die unter Kanzlerin Angela Merkel in den letzten eineinhalb Jahrzehnten beinahe jeden Konflikt mit Geld zugeschüttet haben, einer zunehmend geschichtsklitternden und den Sozialismus glorifizierenden Linken und einer in weiten Teilen nationalistischen, bürgerrechtsfremden und demokratieverachtenden AfD eigentlich mehr als genügend Freiraum. Den aber wissen gegenwärtig nur die Grünen für sich zu nutzen. Und so könnte die Entwicklung der beiden Parteien in den zurückliegenden 18 Monaten unterschiedlicher nicht sein. Durfte sich die FDP bei der Bundestagswahl im September 2017 nicht nur über die Rückkehr ins Parlament, sondern auch über ein Ergebnis von 10,7 Prozent freuen, wird sie aktuell nur noch bei 8 Prozent taxiert. Zum Vergleich: Die Grünen lagen am Wahlabend mit 8,9 Prozent noch klar hinter den Liberalen, erzielen aber gegenwärtig Umfragewerte stabil rund um die 20 Prozent. Das hat gewiss viele Gründe, nicht zuletzt aber den, dass weite Teile der Bevölkerung nach den am Ende spektakulär gescheiterten Jamaika-Verhandlungen der FDP genau jenen Willen zur Übernahme von Regierungsverantwortung absprachen, den sie den Grünen zugute hielten - mitunter nicht ohne eine gewisse Verwunderung. Denn fast sah es so aus, als hätten Liberale und Öko-Partei die Rollen getauscht. War es also wirklich »besser nicht zu regieren, als schlecht zu regieren«? Lindner mag an seinem legendär gewordenen Mantra festhalten, falsch bleibt die Strategie trotzdem. Und sie fordert nun einen abermaligen Kraftakt: Der Mann, der den Liberalen das politische Leben gerettet hat, muss seine Partei neu aufstellen. Die muss wieder mehr sein als eine One-Man-Show. Sonst ist die FDP zwar noch da, aber es kriegt kaum mehr einer mit.
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