Von Manuel Priego Thimmel
FRANKFURT (Dow Jones)--Die erneute Eskalation im Handelsstreit droht die Börsen in die Knie zu zwingen. Nicht nur zeichnet sich keine Lösung im US-chinesischen Konflikt ab, US-Präsident Donald Trump verschärft wieder den Ton Richtung Mexiko. Das ist umso negativer für die Märkte zu werten, als die Börsianer glaubten, dass mit dem Nafta-Nachfolgeabkommen zwischen den USA und Kanada sowie Mexiko der Handelskonflikt beigelegt sei.
Per Tweet hat Trump angekündigt, ab dem 10. Juni Strafzölle von 5 Prozent auf mexikanische Importe zu erheben, sollte die Regierung von Andres Manuel Lopez Obrador keine wirksamen Maßnahmen gegen die illegale Einwanderung in die USA unternehmen. Die Zölle sollen dann schrittweise bis Oktober auf 25 Prozent steigen. Pures Gift aus Börsensicht ist hierbei, dass Einwanderungs- und Handelspolitik in einen Topf geworfen werden - damit ist der Willkür Tür und Tor geöffnet. Strategen sprechen von "dramatischen" Entwicklungen.
US-chinesischer Handelskonflikt wird sich noch lange hinziehen
Zugleich verhärten sich die Fronten im US-chinesischen Handelskonflikt weiter. In der Zwischenzeit glaubt niemand mehr an eine schnelle Lösung. Die Anleger haben erkannt, dass die Chinesen - wenngleich auf den ersten Blick angreifbarer als die USA - nicht einfach einknicken werden. China will bis 2025 Weltmarktführer in so kritischen Technologien wie Künstliche Intelligenz, Internet der Dinge und Robotik werden und damit zum direkten strategischen Rivalen der USA aufsteigen. Dieses Ziel wird China nicht einfach aufgeben.
In Washington hat man die Zeichen der Zeit erkannt und US-Präsident Donald Trump erfreut sich in seiner China-Politik parteiübergreifender Unterstützung. Trump hat zuletzt den Druck auf Peking erhöht: Nicht nur hat er neue Zölle eingeführt und droht mit weiteren, auch hat die US-Regierung damit begonnen, einzelne chinesische IT-Unternehmen mit Sanktionen zu belegen. Hauptziel ist Huawei, Weltmarktführer im Bereich 5G, und Schlüsselfigur beim Aufbau der Telekommunikations-Infrastruktur der Zukunft.
Stark inverse US-Zinskurve als klares Warnsignal
Der Grund, warum die Börsen noch nicht eingebrochen sind, liegt darin, dass die Konjunkturdaten bislang keine Rezession anzeigen bzw in der Hoffnung, dass die Wirtschaftsstimuli der chinesischen Regierung ab dem zweiten Halbjahr ihre Wirkung entfalten werden. Die in der Zwischenzeit stark inverse US-Zinsstrukturkurve zeigt indes an, dass die Anleger zunehmend Zweifel an der Erwartung einer wirtschaftlichen Erholung haben. Die US-Futures preisen schon bis zu drei Zinssenkungen bis Mitte 2020 ein.
Die in der kommenden Woche anstehenden US-PMI-Daten für das verarbeitende Gewerbe bzw der US-Arbeitsmarktbericht dürften beide solide ausfallen. Jim Reid, Stratege der Deutschen Bank, geht davon aus, dass der aktuelle Zyklus der US-Wirtschaft noch mindestens 12 Monate andauern wird. Für den Zeitraum danach ist er nicht sehr optimistisch gestimmt, und bei einem plötzlichen Einbruch des Welthandels würden die Karten ohnehin neu gemischt.
Börsen fundamental und technisch angeschlagen
Die EZB wird sich auf ihrer Sitzung kommende Woche noch bedeckt halten angesichts praktisch unveränderter Wachstums- und Inflationsprojektionen. Die Commerzbank geht daher nicht davon aus, dass die EZB bereits jetzt einen Staffelzins ankündigen wird. Sie dürfte sich vielmehr auf die Details zu den neuen Langfristtendern (TLTRO 3) beschränken. Die Zinskonditionen für die neuen Tender sollten nur etwas über denen von TLTRO 2 liegen, so die Analysten.
"Sell in May and go away" gewinnt also immer mehr an Zugkraft. Jim Reid stellt sich auf einen Abverkauf an den Märkten im Sommer ein. Dabei sind die Börsen nicht nur fundamental, sondern zunehmend auch wieder technisch angeschlagen. Der DAX ist durch die wichtige Unterstützung bei 11.850 Punkte gerauscht. Sollte sich dies bestätigen, müsste der mittelfristige Aufwärtstrend laut DZ Bank ad acta gelegt werden. Gleichzeitig würden die strategischen Rückschlagsrisiken wieder an Gewicht erlangen.
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May 31, 2019 06:02 ET (10:02 GMT)
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