Düsseldorf (ots) - Die scheidende SPD-Partei- und Fraktionschefin Andrea Nahles wird als tragische Figur in die Geschichte eingehen. Sie ist die Vorsitzende, unter deren kurzer Ägide die Sozialdemokraten bei einer bundesweiten Wahl erstmals nur auf Platz drei hinter Union und Grünen landeten. Mit Nahles als Vorsitzender ist das Ende der SPD als Volkspartei symbolisch besiegelt.
An der existenziell bedrohlichen Lage für die Partei von Willy Brandt und Helmut Schmidt ist Nahles freilich nicht alleine Schuld. Ihren Anteil aber hat sie dazu beigetragen, dass alte bundesrepublikanische Gewissheiten für die SPD und damit die Parteienlandschaft der Nachkriegsordnung nicht mehr gelten. Das Hauptproblem der SPD ist, dass sie selbst nicht weiß, wofür sie eigentlich noch gebraucht wird. Anstatt sich um die große soziale Frage unserer Zeit, bezahlbaren Wohnraum, zu kümmern, verkämpft sie sich für eine teure ziellose Rentenpolitik. Anstatt den arbeitnehmerfreundlichen Aufbruch in die digitale Arbeitswelt zu organisieren, halten die Sozialdemokraten an unzeitgemäßen Arbeitszeitrichtlinien fest. Anstatt in Brüssel die Besteuerung großer Internet-Konzerne durchzusetzen, verhindert ihr Finanzminister eben diese. Kurzum: Den Sozialdemokraten fehlen Mut, Kraft und Ideen, auf den Umbruch von Gesellschaft und Arbeitswelt zu reagieren. Nahles selbst hatte nur die alten Rezepte anzubieten, wie ihr Sozialstaatspapier vom Jahresbeginn belegt. Auch deshalb sind die Grünen so stark, weil sie einen Aufbruch verheißen, den die SPD nicht hinbekommt - und auch die Union nicht.
Die existenzielle Krise der Sozialdemokraten wird zugleich zur nächsten Nagelprobe der großen Koalition. Gleichgültig, wie die SPD Nahles' Nachfolge regelt, die Fliehkräfte aus dem ungeliebten Regierungsbündnis heraus werden an Dynamik zunehmen. Es war Nahles, die im Januar 2018 ihre Partei beim Parteitag in Bonn quasi in die große Koalition hineingeschrien hat.
Mit Nahles Rücktritten wird der Anker der großen Koalition gelichtet. Die Union steht ebenso geschwächt da. Die Europawahlen und das Krisenmanagement drumherum waren ein Desaster. Wenn sich zeigt, dass diese große Koalition nur noch aus Angst vor dem schlechten Abschneiden bei Neuwahlen zusammenhält, dann wird es kein Halten mehr geben. Denn dann hat dieses Regierungsbündnis moralisch seine Legitimation verloren.
Und schließlich noch ein Ratschlag an die SPD: Risikolos ist der x-te Neustart der Partei ohnehin nicht. Zu verlieren gibt es nicht mehr viel. Deshalb kann nur eine mutige, überraschende und kompromisslose Neubesetzung der Partei- und Fraktionsspitze helfen.
www.rp-online.de
OTS: Rheinische Post newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30621 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30621.rss2
Pressekontakt: Rheinische Post Redaktion Telefon: (0211) 505-2627
An der existenziell bedrohlichen Lage für die Partei von Willy Brandt und Helmut Schmidt ist Nahles freilich nicht alleine Schuld. Ihren Anteil aber hat sie dazu beigetragen, dass alte bundesrepublikanische Gewissheiten für die SPD und damit die Parteienlandschaft der Nachkriegsordnung nicht mehr gelten. Das Hauptproblem der SPD ist, dass sie selbst nicht weiß, wofür sie eigentlich noch gebraucht wird. Anstatt sich um die große soziale Frage unserer Zeit, bezahlbaren Wohnraum, zu kümmern, verkämpft sie sich für eine teure ziellose Rentenpolitik. Anstatt den arbeitnehmerfreundlichen Aufbruch in die digitale Arbeitswelt zu organisieren, halten die Sozialdemokraten an unzeitgemäßen Arbeitszeitrichtlinien fest. Anstatt in Brüssel die Besteuerung großer Internet-Konzerne durchzusetzen, verhindert ihr Finanzminister eben diese. Kurzum: Den Sozialdemokraten fehlen Mut, Kraft und Ideen, auf den Umbruch von Gesellschaft und Arbeitswelt zu reagieren. Nahles selbst hatte nur die alten Rezepte anzubieten, wie ihr Sozialstaatspapier vom Jahresbeginn belegt. Auch deshalb sind die Grünen so stark, weil sie einen Aufbruch verheißen, den die SPD nicht hinbekommt - und auch die Union nicht.
Die existenzielle Krise der Sozialdemokraten wird zugleich zur nächsten Nagelprobe der großen Koalition. Gleichgültig, wie die SPD Nahles' Nachfolge regelt, die Fliehkräfte aus dem ungeliebten Regierungsbündnis heraus werden an Dynamik zunehmen. Es war Nahles, die im Januar 2018 ihre Partei beim Parteitag in Bonn quasi in die große Koalition hineingeschrien hat.
Mit Nahles Rücktritten wird der Anker der großen Koalition gelichtet. Die Union steht ebenso geschwächt da. Die Europawahlen und das Krisenmanagement drumherum waren ein Desaster. Wenn sich zeigt, dass diese große Koalition nur noch aus Angst vor dem schlechten Abschneiden bei Neuwahlen zusammenhält, dann wird es kein Halten mehr geben. Denn dann hat dieses Regierungsbündnis moralisch seine Legitimation verloren.
Und schließlich noch ein Ratschlag an die SPD: Risikolos ist der x-te Neustart der Partei ohnehin nicht. Zu verlieren gibt es nicht mehr viel. Deshalb kann nur eine mutige, überraschende und kompromisslose Neubesetzung der Partei- und Fraktionsspitze helfen.
www.rp-online.de
OTS: Rheinische Post newsroom: http://www.presseportal.de/nr/30621 newsroom via RSS: http://www.presseportal.de/rss/pm_30621.rss2
Pressekontakt: Rheinische Post Redaktion Telefon: (0211) 505-2627
© 2019 news aktuell