Frankfurt (ots) - Ursula von der Leyen ist nach der überraschenden Nominierung zur nächsten EU-Kommissionspräsidentin gestern erst einmal nach Straßburg gereist, um im Europaparlament für sich zu werben. Die CDU-Politikerin ist erfahren genug, um zu wissen, dass ihre Bestätigung durch die Abgeordneten noch längst keine ausgemachte Sache ist und dass jetzt erst einmal eine Charmeoffensive angesagt ist. Dazu dann noch schnell ein neuer Twitter-Account: "Hallo Europa! Hello Europe! Salut l'Europe!" lautete dort gestern ihr erster Tweet. Innerhalb weniger Stunden hatte sie mehr als 100 00 Follower gewonnen.
Dass die Staats- und Regierungschefs das Spitzenkandidatenmodell, das dem EU-Parlament ja einen deutlichen Machtzuwachs bringen sollte, mit ihrem Personaldeal vorerst wieder in den Papierkorb der Bedeutungslosigkeit bugsiert haben, sorgt unter den Abgeordneten für Unmut. Allerdings lohnt ein etwas genauerer Blick, um festzustellen, dass von der Leyen in allen wichtigen Fraktionen durchaus Argumente für sich hat. Nehmen wir die Europäische Volkspartei (EVP): Noch am Montag, so war zu hören, hatte die stärkste Fraktion im Parlament getobt, als ihr Spitzenkandidat Manfred Weber bereit war, auf seinen Machtanspruch in der EU-Kommission zu verzichten und dem Sozialdemokraten Frans Timmermans den Vortritt zu lassen. Aber jetzt? Da mag es für Weber persönlich vielleicht ein noch größeres Debakel sein, dass nun eine CDU-Ministerin aus Berlin geholt wird. Aber die EVP hat damit trotzdem die EU-Kommission erobert. Und das ist für viele in der Fraktion das ausschlaggebende Argument.
Oder die Sozialdemokraten, von denen die schärfste Kritik kam: Ob die SPD wirklich gut beraten ist, dagegen zu kämpfen, dass die Führung der EU-Kommission erstmals seit über 50 Jahren wieder an Deutschland gehen soll? Das dürfte nicht allen Wählern in der Heimat zu vermitteln sein. Die Grünen sind mit Inhalten zu ködern: mit dem Versprechen einer Wahlrechtsreform zum Beispiel oder einem stärkeren EU-Engagement in der Klimapolitik. Und die Liberalen haben das Spitzenkandidatenmodell in der jetzigen Form ohnehin abgelehnt.
Von der Leyen kann daher durchaus optimistisch sein, dass sie in zwei Wochen im EU-Parlament genügend Abgeordnete auf ihre Seite ziehen kann. Das Parlament hätte ihre Berufung ja ohnehin vermeiden können, wenn es sich zuvor mit breiter Mehrheit selbst auf einen der Spitzenkandidaten hätte einigen können. Das ist nicht gelungen. Und damit haben die Kritiker ein weiteres Argument weniger.
(Börsen-Zeitung, 04.07.2019)
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Oder die Sozialdemokraten, von denen die schärfste Kritik kam: Ob die SPD wirklich gut beraten ist, dagegen zu kämpfen, dass die Führung der EU-Kommission erstmals seit über 50 Jahren wieder an Deutschland gehen soll? Das dürfte nicht allen Wählern in der Heimat zu vermitteln sein. Die Grünen sind mit Inhalten zu ködern: mit dem Versprechen einer Wahlrechtsreform zum Beispiel oder einem stärkeren EU-Engagement in der Klimapolitik. Und die Liberalen haben das Spitzenkandidatenmodell in der jetzigen Form ohnehin abgelehnt.
Von der Leyen kann daher durchaus optimistisch sein, dass sie in zwei Wochen im EU-Parlament genügend Abgeordnete auf ihre Seite ziehen kann. Das Parlament hätte ihre Berufung ja ohnehin vermeiden können, wenn es sich zuvor mit breiter Mehrheit selbst auf einen der Spitzenkandidaten hätte einigen können. Das ist nicht gelungen. Und damit haben die Kritiker ein weiteres Argument weniger.
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