Regensburg (ots) - Als 16-Jähriger hatte er seiner Schwester verraten, er wolle "König der Welt" werden. In einer guten Woche dürfte Boris Johnson zumindest schon die Vorstufe dazu erreichen, wenn er Premierminister von Großbritannien wird. Noch läuft der Kampf um den Vorsitz der Konservativen Partei, der dem Gewinner automatisch den Posten des Regierungschefs einbringt. Aber wie eine Meinungserhebung der Organisation "Conservative Home" zeigt, ist der Wettkampf praktisch schon entschieden. Man hat über 1300 Mitglieder der Konservativen, die in einer Briefwahl zwischen Jeremy Hunt und Boris Johnson zu entscheiden haben, gefragt, welcher Kandidat ihre Unterstützung hat. 72 Prozent sprachen sich für Johnson, 28 Prozent für Hunt aus. Gleichzeitig wurden die Mitglieder gefragt, ob sie ihre Wahlzettel schon abgeschickt hätten. Bei 71 Prozent war dies der Fall. "Wenn diese Umfrage korrekt ist", erklärte Paul Goodman von Conservative Home, "dann hat Johnson das Rennen schon gewonnen. Hunt kann den Spitzenreiter nicht mehr einholen." Damit darf man sich darauf einstellen, dass Boris Johnson, der ehemalige Außenminister, der im Referendums-Wahlkampf der Anführer des Brexit-Lagers war, am 23. Juli zum Nachfolger von Premierministerin Theresa May ausgerufen wird. Die Frage ist allerdings: Wie lange wird er's bleiben? Die Opposition plant, noch vor der Sommerpause des Parlaments die Vertrauensfrage zu stellen. Die Regierung hat zur Zeit nur eine dünne Arbeitsmehrheit von vier Stimmen im Unterhaus. Eine Handvoll konservativer Abgeordneter hat verlauten lassen, dass sie ihre Partei verlassen werden, sollte Boris Johnson übernehmen. Gut möglich, dass Johnson die Vertrauensfrage verlieren wird. Damit hätte er den Rekord aufgestellt, der Premierminister mit der kürzesten Amtszeit in der Geschichte zu werden. Der vorherige Rekordhalter war George Canning mit 119 Tagen im Job. Aber der hatte immerhin die Entschuldigung, an einer Lungenentzündung zu versterben. Johnsons Verhängnis dürfte seine kompromisslose Position beim Brexit werden. Das Unterhaus ist völlig gespalten darüber, welchen Brexit-Kurs Großbritannien einnehmen soll. Aber in einem Punkt haben die Abgeordneten sich wiederholt und klar ausgedrückt: Man will auf keinen Fall einen No-Deal-Brexit, einen ungeregelten Austritt mit all seinen chaotischen Konsequenzen. Boris Johnson dagegen will den No-Deal riskieren. Denn absolute Priorität hat für ihn, dass Großbritannien nicht noch einmal die Austrittsfrist verlängert. Er will erklärtermaßen, "komme, was wolle", den Brexit zum 31. Oktober vollziehen. Boris hat das Parteivolk für sich gewonnen, weil er einen "Do-or-Die"-Brexit zu Halloween versprach. Alles oder nichts, ausgestiegen wird auf jeden Fall, eine weitere Aufschiebung soll es nicht geben. Damit verfolgt Johnson eine Tabula-Rasa-Strategie. Er will als derjenige Politiker in die Geschichtsbücher eingehen, der Großbritannien aus der EU geführt hat. Mit seinem Halloween-Brexit will er vollendete Tatsachen schaffen. Um die Konsequenzen kann man sich dann später kümmern. Entscheidend wird sein, ob ihn das Unterhaus gewähren lässt. Angesichts der Mehrheitsverhältnisse könnte Boris Johnson gar nichts anderes übrigbleiben, als Neuwahlen anzustreben. Sollte er ein Misstrauensvotum verlieren, hat das Unterhaus vierzehn Tage Zeit, eine neue mehrheitsfähige Regierung zu finden. Andernfalls muss das Land ein neues Parlament bestimmen. Johnsons Plan ist einfach: Entweder den Brexit um jeden Preis durchziehen oder sein Glück an der Wahlurne suchen. Egal wie's kommt: Großbritannien muss sich auf turbulente Zeiten einstellen.
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