BERLIN (Dow Jones)--Ein einheitlicher CO2-Preis für alle Sektoren bedroht aus Sicht des Direktors des Klimaforschungsinstituts MCC, Ottmar Edenhofer, nicht die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Empirische Untersuchungen der Klimaforscher hätten gezeigt, dass es in den vergangenen 15 Jahren keine nennenswerten Fälle von Carbon Leakage gegeben habe, sagte Edenhofer bei einem Pressegespräch in Berlin.
Unter "Carbon Leakage" versteht man den Effekt, dass strenge Klimaauflagen in einem Land dazu führen, dass Betriebe ihre Produktion ins Ausland verlagern. Das könnte zu einer Verlagerung oder gar einem Anstieg der globalen Treibhausgasemissionen führen.
Diesen Fall hätten die Forscher aber kaum feststellen können, so Edenhofer. Zudem hätten die Unternehmen "hervorragende Möglichkeiten", einen CO2-Preis auf die Konsumenten abzuwälzen, sagte der Ökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Dies sehe auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung so.
Das MCC fordert die Einbeziehung aller Sektoren - also auch von Verkehr und Wärme - in den europäischen Emissionshandel bis 2030. Bis dahin sollte Deutschland entweder eine progressiv ansteigende CO2-Steuer von 50 Euro je Tonne CO2 im Jahr 2020 bis zu 130 Euro im Jahr 2030 einführen. Oder es sollte ein nationaler Emissionshandel mit einem Korridor aus Mindest- und Höchstpreis kommen - zwischen anfangs 35 und 70 Euro und später 70 bis 180 Euro. Die Klimaforscher empfehlen, die Einnahmen zugleich über eine Pauschale oder einen Härtefallfonds an die Bevölkerung zurückzugeben.
Sollte der höhere Preis 2030 kommen, sei die Wettbewerbsfähigkeit innerhalb Europas noch immer kein großes Problem, sagte Edenhofer. Denn dann wären die anderen Länder dem Emissionshandel genauso unterworfen wie Deutschland. Allenfalls langfristig könne es international "ein großes Problem" geben, so Edenhofer. Wenn zwar die EU einen einheitlichen CO2-Preis habe, aber andere Wirtschaftsregionen der Welt nicht, "dann wird die Frage der Wettbewerbsfähigkeit entscheidend".
Der Klimaforscher sieht dennoch Chancen für eine Verständigung. Schon jetzt gibt es laut MCC weltweit 57 Steuer- und Emissionshandelssysteme, darunter in Kalifornien und im Nordosten der USA. Inzwischen erwäge sogar China eine CO2-Bepreisung. Wenn es der EU gelänge, sich mit den Vereinigten Staaten und China über Mindestpreise zu verständigen, "dann sehe ich da hervorragende Voraussetzungen, auch das Wettbewerbsproblem zu meistern", sagte Edenhofer.
Edenhofer berät die Bundesregierung und schrieb auch ein Gutachten für die Wirtschaftsweisen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Das Klimakabinett kommt am 20. September zu seiner nächsten Sitzung zusammen. Dann soll auch geklärt werden, ob ein CO2-Preis eingeführt wird und in welcher Form - als Steuer oder im Emissionshandel.
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August 27, 2019 09:03 ET (13:03 GMT)
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