BERLIN (Dow Jones)--Die Bundesregierung hat mit ihrem beschleunigten Gesetzgebungsverfahren die betroffenen Wirtschafts- und Sozialverbände gegen sich aufgebracht. In einem ungewöhnlichen Schritt veröffentlichten am Dienstag 14 Verbände einen offenen Brief an das Bundeskanzleramt und die Bundesministerien, in dem sie diese zur Rückkehr zu einem demokratischen Verfahren auffordern.
Grund des Brandbriefes war, dass die Bundesregierung am zurückliegenden Wochenende "zum wiederholten Mal" eine Verbändeanhörung gestartet hat, bei der die Verbände nur wenige Stunden Zeit für eine Stellungnahme gegeben wurde. "Die unterzeichnenden Organisationen dieses offenen Briefes teilen die Einschätzung der Bundesregierung, dass bei klimapolitischen Gesetzgebungsvorhaben dringender Handlungsbedarf besteht. Die erforderliche Verfahrensbeschleunigung darf jedoch nicht zu Lasten der anzuhörenden Verbände gehen", heißt es in dem Brief. Vom Bundespresseamt war zunächst keine Stellungnahme erhältlich.
Im deutschen Gesetzgebungsverfahren ist es üblich, dass sich ein Ministerium beim Entwurf eines Gesetzes den Sachverstand von zuständigen Verbänden einholt. Die Organisationen zeigten sich irritiert, dass die Bundesregierung selbst mehrere Monate benötige, um beispielsweise die Vereinbarungen der Kohlekommission zum Kohleausstieg in Gesetzestexte zu packen, den Verbänden hingegen kaum Zeit für eine Stellungnahme einräumten. Die Verbände fordern die Bundesregierung daher angesichts der wiederholt kurzen Fristen für Stellungnahmen "dringend" auf, bei zukünftigen Anhörungen zu ausreichenden Fristen zurückzukehren. So soll Verbänden eine fristgerechte umfassende und sachgerechte Stellungnahme ermöglicht werden.
"Ansonsten ist eine den demokratischen Verfahren der Bundesrepublik Deutschland angemessene Durchführung von Gesetzgebungsverfahren nicht mehr gewährleistet", warnten die Unterzeichner. Zu diesen zählen der BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) , der Bundesverband Erneuerbare Energie, der Bundesverband Neue Energiewirtschaft, der Bundesverband Windenergie, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der Deutsche Naturschutzring, die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie, die Dienstleitungsgewerkschaft Verdi, der Verband kommunaler Unternehmen, der Verband der Chemischen Industrie, die Wirtschaftsvereinigung Metalle und die Wirtschaftsvereinigung Stahl.
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October 22, 2019 11:29 ET (15:29 GMT)
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