Von Petra Sorge
BERLIN (Dow Jones)--Mit einem offenen Brief haben der Bundesverband der Industrie (BDI), Gewerkschaften und Umweltverbände Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur schnellen Umsetzung des Kohleausstiegsgesetzes aufgerufen. "Deutschland braucht einen breiten gesellschaftlichen Konsens und die Akzeptanz aller Beteiligten, wenn der Klimaschutz und die Energiewende auf Dauer erfolgreich sein sollen", heißt es in dem Schreiben, in das Dow Jones Newswires Einblick hatte.
"Doch der Kompromiss, den die Kohlekommission mühsam errungen hat, sei durch die Diskussion über das Kohleausstiegsgesetz gefährdet". Das Schreiben ging in Kopie auch an Vizekanzler und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) sowie an Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).
Die geplanten Regelungen würden "an zentralen Stellen" von den Beschlüssen der Kommission abweichen, warnen die sechs Verbände, darunter der Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft, der Deutschen Gewerkschaftsbund, der Deutsche Naturschutzring, das Öko-Institut und der Verband Kommunaler Unternehmen.
Der Ausbau der erneuerbaren Energie auf 65 Prozent bis 2030 sei "zentral, um die wegfallende Kohlestromerzeugung zu ersetzen und so die Erreichung des Klimaziels sowie die Versorgungssicherheit zu gewährleisten", heißt es in dem Schreiben. Die Rahmenbedingungen dafür müssten "robust und verlässlich" geschaffen werden. Es müsse sichergestellt werden, dass bis 2022 wie geplant 30 Gigawatt vom Netz gehen.
Die Verbände wenden sich auch gegen eine Inbetriebnahme des Steinkohlekraftwerks Datteln 4 durch den Betreiber Uniper. Für bereits gebaute, aber noch nicht im Betrieb befindliche Kraftwerke habe die Kohlekommission empfohlen, eine Verhandlungslösung zu suchen, um diese Kraftwerke nicht in Betrieb zu nehmen. "Dieser Empfehlung muss im Rahmen der Verhandlungen Rechnung getragen werden", so das Schreiben. Uniper darf das Kraftwerk nun aber trotzdem ans Netz nehmen, was Umweltschützer scharf kritisieren.
Weiterhin fordern die Beteiligten "angemessene Entschädigungsleistungen" für Kraftwerksstilllegungen wie auch für die geplante Steinkohleausschreibung. Unbillige soziale Härten für die Beschäftigten müssten verhindert, die Strompreise auch für die Verbraucher gesenkt werden. Außerdem hatte die Kohlekommission "ein klares Monitoring" der Maßnahmen vorgeschlagen. Die Unterzeichner bitten Merkel, sich beim anstehenden Gesetzgebungsverfahren "eng an den Handlungsempfehlungen" zu orientieren.
Weder das Finanzministerium noch das Bundeskanzleramt waren kurzfristig für eine Stellungnahme zu erreichen. Das Wirtschaftsministerium teilte mit, der Entwurf des Kohleausstiegsgesetzes befinde sich in der Ressortabstimmung. "Wir arbeiten mit Hochdruck daran, den Entwurf zu finalisieren. Zwischenstände kommentieren wir nicht", erklärte Sprecherin Anna Sophie Eichler.
Aktuell ringt Altmaier mit Umweltministerium Svenja Schulze (SPD) noch hart um die konkreten Bestimmungen im Kohleausstiegsgesetz, wodurch der von der Kohlekommission vorgegebene Zeitplan bis Jahresende in Gefahr gerät. In dem Entwurf werden sowohl die Steinkohle als auch der Ausbau der Erneuerbaren Energien geregelt. Die neue SPD-Führung hatte obendrein noch Änderungen beim Klimaschutz gefordert, etwa bei den Bestimmungen zur Windenergie an Land. Die Verhandlungen des Wirtschaftsministeriums mit den Kraftwerksbetreibern zum Ausstieg aus der Braunkohle sind zudem auch noch nicht abgeschlossen.
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December 12, 2019 08:46 ET (13:46 GMT)
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