Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die Europäische Zentralbank (EZB) muss in den Mittelpunkt ihrer aktuellen geldpolitischen Strategieprüfung nach Aussage von Unicredit die Stärkung der Ertragskraft der Banken stellen. Chefvolkswirt Erik Nielsen fordert in einem am Wochenende veröffentlichten Beitrag etwas verklausuliert eine Abschaffung des Negativzinses und eine weniger harte und kostentreibende Bankenaufsicht. Folgende vier Hauptprobleme der Banken sollte die EZB im Rahmen ihrer Strategieprüfung angehen:
1. Banken haben zu hohe Kosten
Die Banken des Euroraums müssen ihre Kosten laut Nielsen deutlicher und schneller als bisher senken. Hier sollte die EZB in ihrer Rolle als Bankaufseherin mehr Druck machen. Das jüngste Beispiel der Commerzbank zeige, dass die Aufseher an diesem Thema dran seien, doch könnte Nielsen sich auch numerische Vorgaben für Kernbestandteile der Cost-Income-Ratio vorstellen, die vor allem in Deutschland vielfach zu hoch sei (70 bis 90 Prozent).
2. "Regulatorische Gerechtigkeit" für Banken
Der "Tsunami" teilweise unkoordinierter neuer Regulierungen erzeugt massive zusätzliche Kosten. Die so genannten Schattenbanken, die weniger stark reguliert sind, bauen ihren Marktanteil zu Lasten der Banken aus, was auch zu höheren Risiken für die Finanzstabilität führt. Nielsen weist darauf hin, dass der Bankensektor der einzige Sektor sei, der die Kosten seiner Beaufsichtigung selbst tragen müsse. Darüber hinaus müsse er Beiträge zum Abwicklungsfonds leisten und es zeichne sich bereits die Entstehung einer neuen Aufsichtsbehörde - der zur Bekämpfung von Geldwäsche - ab. Die Sektoren der Wirtschaft und die Unternehmen konkurrierten miteinander um Kapital, warum würden sie so unterschiedlich behandelt, fragt Nielsen.
3. Negativzins beeinträchtigt geldpolitische Transmission
In faktischer Abwesenheit der Fiskalpolitik musste die Geldpolitik in den vergangenen Jahren die gesamte Last der Konjunkturstützung alleine tragen. Dadurch sanken die Zinsen in negatives Territorium und die Renditekurven verflachten. Die natürliche Reaktion der Banken wäre gewesen, diese Belastung an ihre Kunden weiterzugeben, was aber weder von politischer- noch von Aufsichtsseite gewollt war und teilweise rechtlich unmöglich. Laut Nielsen ist unklar, ob die anfängliche Einschätzung, dass die Auswirkungen der Geldpolitik aus Sicht der Banken per saldo positiv sei, immer noch gilt und damit auch, ob die Effizienz der geldpolitischen Transmission gegeben ist.
4. Das Wirtschaftswachstum ist alles in allem zu schwach
Nielsen räumt aber ein, dass die Geldpolitik das Wachstum angekurbelt und die Kreditkosten der Banken gesenkt hat.
Angesichts dieser Fakten ist es nach Aussage des Unicredit-Chefvolkswirts nicht erstaunlich, dass der Bankensektor nicht genug Gewinn (return on equity - ROE) generiert, um seine Kosten (cost of equity - COE) zu decken. Am ungünstigsten ist die Lage laut Nielsen diesbezüglich in Deutschland, wo die Kapitalkosten die entsprechenden Erträge um 15 Prozentpunkte übersteigen. Es folgen Italien (8), sowie Finnland, Spanien und Großbritannien mit je 5 Punkten Differenz.
Unter diesen Umständen würden die Banken kaum größere Übernahmen planen, denn die gingen oft mit Kapitalerhöhungen einher, und das wäre für die Institute derzeit viel zu teuer. Anstatt zu fusionieren oder mehr Kredite zu vergeben, investieren die Banken überschüssiges Kapital in den Rückkauf eigener Aktien. Und das sei eigentlich nicht im Sinne der Aufsichtsbehörden, meint der Unicredit-Chefvolkswirt.
"Meiner Meinung nach muss dieses Problem den Kern der diesjährigen EZB-Strategieprüfung bilden", argumentiert Nielsen. Langfristig könnten die Banken ihre entscheidende Rolle in der geldpolitischen Transformation nicht erfüllen, wenn sie nicht in der Lage seien, im Wettbewerb mit anderen Sektoren um Kapital zu bestehen.
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