Regensburg (ots) - Monatelang war Angela Merkel kaum zu sehen, seit fast eineinhalb Jahren nicht mehr. Damals, Ende Oktober 2018, hatte die Bundeskanzlerin angekündigt, sich vom CDU-Vorsitz zurückzuziehen und nicht für eine weitere Amtszeit zu kandidieren. Natürlich hat sie seitdem die Regierungsgeschäfte geführt, gerade in europäischen und internationalen Fragen eine gewichtige Rolle gespielt. Doch bei innenpolitischen Debatten ebenso wie der offenen Führungsfrage in ihrer Partei hielt sich die Kanzlerin bedeckt. Ihren Rückzug von der Macht hatte sie längst eingeleitet. Dann kam Corona. Diese Krise hat Merkel mit Wucht in die Rolle der Krisenkanzlerin zurückkatapultiert. Sie ist wieder da - präsenter als je zuvor.
Mittwochabend der vergangenen Woche, Merkel hält eine außergewöhnliche Fernsehansprache. Rund 30 Millionen Zuschauer soll sie damit erreicht haben. "Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst." So stimmte die Kanzlerin die Bevölkerung auf krisenbedingte Härten ein, die sich durch die nun beschlossenen Kontaktverbote noch verschärften. Ja, es ist hart. Für jeden Einzelnen und für das Miteinander, für das Gesundheitswesen und die Wirtschaft.
Merkels Reden in diesen Tagen sind weit mehr als Appelle, sich an diese nie dagewesenen Regeln und Beschränkungen unseres öffentlichen Lebens zu halten. Die Kanzlerin wird persönlich: Bei der Zahl der Infizierten gehe es nicht um eine abstrakte Statistik, sondern um einen Vater oder Großvater, eine Mutter oder Großmutter, eine Partnerin oder einen Partner. "Im Moment ist nur Abstand Ausdruck von Fürsorge." Derart emotionale Worte suchen in Merkels bald 15-jähriger Amtszeit ihresgleichen.
Erklären lassen sich diese Auftritte nur mit der Schwere der Lage. Dabei hat es in Merkels Kanzlerschaft an großen Problemlagen nie gefehlt: die Finanz- und Bankenkrise um 2008, sieben Jahre später die Flüchtlingskrise. Oft war der Kanzlerin in diesen Jahren vorgeworfen worden, ihre Politik nicht gut genug zu erklären, Entscheidungen zu wenig zu begründen, die Bevölkerung nicht mitzunehmen. Auch zurecht. Doch unter Corona-Bedingungen scheint die Kanzlerin wie ausgetauscht. Sie ist sichtlich um Transparenz bemüht, tritt innerhalb einer Woche mehrfach vor die Kameras, wählt verständnisvolle Worte. In den letzten Zügen ihrer letzten Amtszeit läuft Merkel zu Hochform auf.
Einen anderen Grund für ihre späte Wandlung benannte sie selbst: "Für jemanden wie mich, für die Reise- und Bewegungsfreiheit ein schwer erkämpftes Recht waren, sind solche Einschränkungen nur in der absoluten Notwendigkeit zu rechtfertigen." Wenn Merkel hier auf ihre DDR-Vergangenheit anspielt, dann zeigt sie, dass die Regierung nicht leichtfertig handelt, sondern sich der drastischen Eingriffe bewusst ist. Das Verbot, sich zu versammeln, die Schließung von Schulen, Kitas, Gaststätten, Kinos, Läden und auch Grenzen - all das ist in einer Demokratie unter normalen Umständen undenkbar. Nur sind die Umstände nicht normal. Ein US-Medium schrieb vom "Leader of the Free World", dem Oberhaupt der freien Welt, und pries Merkels besonnene, verantwortungsbewusste Art der Vermittlung. Dass ihr derartiges Lob ausgerechnet in einer Lage entgegenkommt, die für uns alle das Gegenteil von Freiheit bedeutet, ist bemerkenswert - und berechtigt.
Merkel dankte in diesen Tagen den Pflegern, Ärztinnen, Angestellten im Gesundheitssektor und in Supermärkten für ihre so unerlässliche Arbeit. Das ist nicht nur ein edler Zug, sondern genau das, wonach gewählte Amtsträger ihr Handeln ausrichten sollten: an den Belangen und Leistungen der Bürger. Merkel ist bisher nicht nur ein gutes Krisenmanagement gelungen. Sie hat zugleich eine politische Kernaufgabe ins Zentrum gestellt: Politik für die Menschen und jedes Handeln nachvollziehbar zu machen. Gut, dass diese Kanzlerin noch da ist.
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Mittwochabend der vergangenen Woche, Merkel hält eine außergewöhnliche Fernsehansprache. Rund 30 Millionen Zuschauer soll sie damit erreicht haben. "Es ist ernst. Nehmen Sie es auch ernst." So stimmte die Kanzlerin die Bevölkerung auf krisenbedingte Härten ein, die sich durch die nun beschlossenen Kontaktverbote noch verschärften. Ja, es ist hart. Für jeden Einzelnen und für das Miteinander, für das Gesundheitswesen und die Wirtschaft.
Merkels Reden in diesen Tagen sind weit mehr als Appelle, sich an diese nie dagewesenen Regeln und Beschränkungen unseres öffentlichen Lebens zu halten. Die Kanzlerin wird persönlich: Bei der Zahl der Infizierten gehe es nicht um eine abstrakte Statistik, sondern um einen Vater oder Großvater, eine Mutter oder Großmutter, eine Partnerin oder einen Partner. "Im Moment ist nur Abstand Ausdruck von Fürsorge." Derart emotionale Worte suchen in Merkels bald 15-jähriger Amtszeit ihresgleichen.
Erklären lassen sich diese Auftritte nur mit der Schwere der Lage. Dabei hat es in Merkels Kanzlerschaft an großen Problemlagen nie gefehlt: die Finanz- und Bankenkrise um 2008, sieben Jahre später die Flüchtlingskrise. Oft war der Kanzlerin in diesen Jahren vorgeworfen worden, ihre Politik nicht gut genug zu erklären, Entscheidungen zu wenig zu begründen, die Bevölkerung nicht mitzunehmen. Auch zurecht. Doch unter Corona-Bedingungen scheint die Kanzlerin wie ausgetauscht. Sie ist sichtlich um Transparenz bemüht, tritt innerhalb einer Woche mehrfach vor die Kameras, wählt verständnisvolle Worte. In den letzten Zügen ihrer letzten Amtszeit läuft Merkel zu Hochform auf.
Einen anderen Grund für ihre späte Wandlung benannte sie selbst: "Für jemanden wie mich, für die Reise- und Bewegungsfreiheit ein schwer erkämpftes Recht waren, sind solche Einschränkungen nur in der absoluten Notwendigkeit zu rechtfertigen." Wenn Merkel hier auf ihre DDR-Vergangenheit anspielt, dann zeigt sie, dass die Regierung nicht leichtfertig handelt, sondern sich der drastischen Eingriffe bewusst ist. Das Verbot, sich zu versammeln, die Schließung von Schulen, Kitas, Gaststätten, Kinos, Läden und auch Grenzen - all das ist in einer Demokratie unter normalen Umständen undenkbar. Nur sind die Umstände nicht normal. Ein US-Medium schrieb vom "Leader of the Free World", dem Oberhaupt der freien Welt, und pries Merkels besonnene, verantwortungsbewusste Art der Vermittlung. Dass ihr derartiges Lob ausgerechnet in einer Lage entgegenkommt, die für uns alle das Gegenteil von Freiheit bedeutet, ist bemerkenswert - und berechtigt.
Merkel dankte in diesen Tagen den Pflegern, Ärztinnen, Angestellten im Gesundheitssektor und in Supermärkten für ihre so unerlässliche Arbeit. Das ist nicht nur ein edler Zug, sondern genau das, wonach gewählte Amtsträger ihr Handeln ausrichten sollten: an den Belangen und Leistungen der Bürger. Merkel ist bisher nicht nur ein gutes Krisenmanagement gelungen. Sie hat zugleich eine politische Kernaufgabe ins Zentrum gestellt: Politik für die Menschen und jedes Handeln nachvollziehbar zu machen. Gut, dass diese Kanzlerin noch da ist.
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