Von Andreas Kißler
BERLIN (Dow Jones)--Der Bundestag hat der Regierung erlaubt, als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldengrenze massiv zu überschreiten. Wie Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) bekanntgab, stimmten 469 Abgeordnete dafür, drei dagegen und 55 enthielten sich. Damit ist der parlamentarische Weg für einen Beschluss über den von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) eingebrachten Nachtragshaushalt frei, der neue Schulden von 156 Milliarden Euro vorsieht.
Mit dem Beschluss wird de facto die Schuldengrenze ausgesetzt. Das Parlament billigte eine entsprechende Vorlage, gemäß Artikel 115 Absatz 2 Satz 6 und 7 des Grundgesetzes vorzugehen. Darin heißt es: "Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können diese Kreditobergrenzen auf Grund eines Beschlusses der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages überschritten werden. Der Beschluss ist mit einem Tilgungsplan zu verbinden."
Der Beschluss des Parlaments erfolgte in einer namentlichen Abstimmung. Laut Grundgesetz darf der Bund höchstens neue Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aufnehmen. Mit dem Nachtragshaushalt wird die nach der Schuldenregel zulässige Obergrenze der Verschuldung aber nach Angaben des Bundesfinanzministeriums um fast 100 Milliarden Euro überschritten, weil dies die derzeitige "außergewöhnliche Notsituation" erforderlich macht.
"Die Notsituation ist in ihrem Ausmaß außergewöhnlich und bisher einmalig, ihr Eintritt hat sich der Kontrolle des Staates entzogen und sie beeinträchtigt die staatliche Finanzlage erheblich", heißt es in der Vorlage. "Zur Bekämpfung der unmittelbaren gesundheitlichen Auswirkungen der Pandemie sind umfangreiche Maßnahmen erforderlich. Darüber hinaus sind die Wirtschaft und der Arbeitsmarkt in nahezu allen Bereichen durch die ergriffenen Maßnahmen, die zur Eindämmung der Pandemie führen sollen, betroffen." Vorgesehen ist eine Rückzahlung ab 2023 über insgesamt 20 Jahre.
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March 25, 2020 11:22 ET (15:22 GMT)
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