Von Andrea Thomas
BERLIN (Dow Jones)--Knapp zwei Drittel der deutschen Bevölkerung wünschen sich eine engere wirtschaftliche Zusammenarbeit mit den Nachbarländern östlich der Europäischen Union. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag des Ost-Ausschuss - Osteuropavereins der Deutschen Wirtschaft (OAOEV) und mit Unterstützung von Wintershall Dea.
Danach können sich 61 Prozent der Befragten einen gemeinsamen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok vorstellen, nur 20 Prozent lehnen diesen ab. 55 Prozent der Befragten wünschen sich eine intensivierte Zusammenarbeit konkret mit Russland. Nur 28 Prozent äußern sich hier ablehnend.
"Diese Ergebnisse ermutigen alle, die sich trotz bestehender Sanktionen weiter für einen Dialog mit Russland einsetzen und nach gemeinsamen Interessen suchen. Davon gibt es viele, angefangen von der Sicherung der Energieversorgung in Europa über die verstärkte Digitalisierung der Wirtschaft bis hin zur gemeinsamen Bewältigung der Corona-Folgen", sagte der OAOEV-Vorsitzende Oliver Hermes zu den Umfrageergebnissen.
Es wäre wichtig, die bestehende Partnerschaft im Energiebereich zu einer deutsch-russischen Energie- und Klimaallianz auszubauen.
Deutsche wollen Fertigstellung von Nord Stream 2
Beim europäisch-russischen Pipelineprojekt Nord Stream 2 überwiegt laut Umfrage die Unterstützung. Über drei Viertel (77 Prozent) der Befragten sprechen sich für eine Fertigstellung von Nord Stream 2 auch gegen den Widerstand der USA aus. Nur 4 Prozent lehnen den Weiterbau ab. Besonders groß ist die Zustimmung zum Projekt bei Anhängern der SPD (93 Prozent), der CDU/CSU (89 Prozent), der Linken (89 Prozent) und bei Anhängern der Grünen (86 Prozent).
"Trotz bestehender politischer Konflikte wird die enge Partnerschaft, die wir mit Russland seit 50 Jahren zur Energiesicherung haben, von einer breiten Akzeptanz in der Bevölkerung getragen", sagte Mario Mehren, Vorstandsvorsitzender von Wintershall Dea und Leiter des OAOEV-Arbeitskreises Russland zu den Ergebnissen.
Großes Verständnis für Reisebeschränkungen wegen Corona
Die gegenwärtigen Reisebeschränkungen im Osten Europas wegen der grassierenden Corona-Pandemie treffen in der deutschen Bevölkerung auf großes Verständnis, so die Umfrage. Danach halten 93 Prozent der Befragten die Einreisesperren und Quarantänemaßnahmen für richtig. Lediglich 4 Prozent der Deutschen finden solche Maßnahmen übertrieben.
Für den Ostausschuss ist es nun entscheidend, den grenzüberschreitenden Waren- und Pendlerverkehr so zu optimieren, dass die Ansteckungsgefahr minimiert wird, aber gleichzeitig die Versorgung der Krankenhäuser, Geschäfte und Betriebe immer gewährleistet ist.
"Dazu schlagen wir an der Grenze Überholspuren für LKW mit medizinischer oder leicht verderblicher Ware vor. Zudem sollten die von der EU vorgelegten Ein- und Ausreisebestimmungen für den Personenverkehr jetzt europaweit genauestens beachtet werden. Das schafft Verlässlichkeit", fordert Hermes.
Wichtig sei in der Corona-Krise auch eine enge Abstimmung mit der Nachbarschaft der EU. "Jetzt ist nicht die Zeit für Exporteinschränkungen bei Schutzkleidung, sondern für Zeichen gelebter Solidarität. Ware muss schnell dorthin gelangen, wo sie am dringendsten gebraucht wird", so Hermes.
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April 01, 2020 06:45 ET (10:45 GMT)
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