Regensburg (ots) - Das Wort "besser" funktioniert nicht alleine, es entfaltet nur in einem Vergleich seine Bedeutung. Hier läuft es besser als anderswo, wir machen es besser als die anderen. Darin schwingt mit: Die anderen machen es schlechter. Dieser wechselseitigen Bedeutung wird sich Bayerns Ministerpräsident Markus Söder wohl bewusst gewesen sein, als er bei der wichtigen Bund-Länder-Pressekonferenz zu den ersten Lockerungsschritten aus dem Corona-Lockdown sagte: "Deutschland ist bislang im Vergleich zu vielen anderen Ländern besser durch diese schlimme Krise, die global stattfindet, gekommen." Deutsche Politiker, die das deutsche Vorgehen loben, sind in diesen Tagen häufiger zu hören.
Man kann Söders Satz - viel Wohlwollen vorausgesetzt - in der Sache vielleicht richtig finden, wenn man die europaweiten Covid-19-Fallzahlen betrachtet. Deutschland hat bisher weniger Tote zu betrauern als Italien, Spanien, Großbritannien oder Frankreich. Doch das politische Signal, das von einer solchen Äußerung ausgeht, ist schädlich. Das eigene Krisenmanagement im Angesicht so harter, trauriger Realitäten als "besser" darzustellen, ist zynisch. Und für den europäischen Zusammenhalt ist das Gift.
Dass dieses Gift bei den "anderen", die in solchen Vergleichen den Kürzeren ziehen, seine Wirkung entfaltet, war kürzlich im Interview mit Italiens Premier Giuseppe Conte in der "Süddeutschen" zu lesen. Keiner solle sich in dieser Krise "als Klassenbester aufführen, es gibt keinen Klassenbesten", sagte Conte. Das Gebaren sei fehl am Platz. Damit hat er recht.
Nun trägt die italienische Regierung ihrerseits nicht immer zu Europas Verbundenheit bei. Gerne wird der EU, allen voran Deutschland, die Schuld für hausgemachte Probleme zugeschoben und so von regierungsinternen Konflikten abgelenkt. Weder Schuldzuweisungen noch Eigenlob stärken den Verbund. Gerade jetzt, im Angesicht von tausenden Toten, kriselnder Wirtschaft, steigenden Arbeitslosenzahlen, überforderten Familien gehört sich beides nicht. Solidarität und Zusammenhalt - das ist es, was Europa jetzt braucht. Und zwar nicht nur in schönen Reden, sondern in konkreten Taten.
Die europäische Einigung auf konkrete Schritte verläuft zäh. Das haben die Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs ebenso wie der EU-Finanzminister über wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen und die Aufnahme gemeinsamer Schulden gezeigt. Aber: Es gibt auch Schritte vorwärts. Das 540-Milliarden-Hilfspaket ist seit dem jüngsten EU-Gipfel beschlossene Sache. Vereinbart ist auch die Gründung eines Wiederaufbau-Fonds, über den noch einmal mindestens 1 Billion Euro verteilt werden kann. Dass die Einigung auf Summen in so schwindelerregender Höhe über den Umweg des Streits und der Kontroverse verläuft, ist noch lange kein Grund, grundsätzlich an der EU zu zweifeln. Wir brauchen sie dringend - jetzt mehr denn je.
Die EU ist gegründet worden zum gegenseitigen Vorteil aller Mitgliedsstaaten. Sich daran zu erinnern, lohnt sich gerade dann, wenn Kompromisse hart erkämpft werden müssen. Besonders stark betroffene Staaten müssen in dieser unverschuldeten Krise unterstützt werden, um die Gesellschaft zu stabilisieren und die Wirtschaft anzukurbeln. Das ist nicht nur ein Gebot der Solidarität. Es liegt auch im eigenen Interesse. Nur ein Beispiel: der Binnenmarkt. Versinken andere EU-Länder in der Verschuldung, brechen für Deutschland wichtige Handelspartner und damit Absatzmärkte für unsere Produkte weg.
Im Sommer übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft - und damit besondere Verantwortung für Europas Zusammenhalt. Mit "Wir können es besser"-Rhetorik wird man dieser Verantwortung nicht gerecht. "Wir halten zusammen" ist das wichtigere Signal.
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Man kann Söders Satz - viel Wohlwollen vorausgesetzt - in der Sache vielleicht richtig finden, wenn man die europaweiten Covid-19-Fallzahlen betrachtet. Deutschland hat bisher weniger Tote zu betrauern als Italien, Spanien, Großbritannien oder Frankreich. Doch das politische Signal, das von einer solchen Äußerung ausgeht, ist schädlich. Das eigene Krisenmanagement im Angesicht so harter, trauriger Realitäten als "besser" darzustellen, ist zynisch. Und für den europäischen Zusammenhalt ist das Gift.
Dass dieses Gift bei den "anderen", die in solchen Vergleichen den Kürzeren ziehen, seine Wirkung entfaltet, war kürzlich im Interview mit Italiens Premier Giuseppe Conte in der "Süddeutschen" zu lesen. Keiner solle sich in dieser Krise "als Klassenbester aufführen, es gibt keinen Klassenbesten", sagte Conte. Das Gebaren sei fehl am Platz. Damit hat er recht.
Nun trägt die italienische Regierung ihrerseits nicht immer zu Europas Verbundenheit bei. Gerne wird der EU, allen voran Deutschland, die Schuld für hausgemachte Probleme zugeschoben und so von regierungsinternen Konflikten abgelenkt. Weder Schuldzuweisungen noch Eigenlob stärken den Verbund. Gerade jetzt, im Angesicht von tausenden Toten, kriselnder Wirtschaft, steigenden Arbeitslosenzahlen, überforderten Familien gehört sich beides nicht. Solidarität und Zusammenhalt - das ist es, was Europa jetzt braucht. Und zwar nicht nur in schönen Reden, sondern in konkreten Taten.
Die europäische Einigung auf konkrete Schritte verläuft zäh. Das haben die Beratungen der EU-Staats- und Regierungschefs ebenso wie der EU-Finanzminister über wirtschaftliche Hilfsmaßnahmen und die Aufnahme gemeinsamer Schulden gezeigt. Aber: Es gibt auch Schritte vorwärts. Das 540-Milliarden-Hilfspaket ist seit dem jüngsten EU-Gipfel beschlossene Sache. Vereinbart ist auch die Gründung eines Wiederaufbau-Fonds, über den noch einmal mindestens 1 Billion Euro verteilt werden kann. Dass die Einigung auf Summen in so schwindelerregender Höhe über den Umweg des Streits und der Kontroverse verläuft, ist noch lange kein Grund, grundsätzlich an der EU zu zweifeln. Wir brauchen sie dringend - jetzt mehr denn je.
Die EU ist gegründet worden zum gegenseitigen Vorteil aller Mitgliedsstaaten. Sich daran zu erinnern, lohnt sich gerade dann, wenn Kompromisse hart erkämpft werden müssen. Besonders stark betroffene Staaten müssen in dieser unverschuldeten Krise unterstützt werden, um die Gesellschaft zu stabilisieren und die Wirtschaft anzukurbeln. Das ist nicht nur ein Gebot der Solidarität. Es liegt auch im eigenen Interesse. Nur ein Beispiel: der Binnenmarkt. Versinken andere EU-Länder in der Verschuldung, brechen für Deutschland wichtige Handelspartner und damit Absatzmärkte für unsere Produkte weg.
Im Sommer übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft - und damit besondere Verantwortung für Europas Zusammenhalt. Mit "Wir können es besser"-Rhetorik wird man dieser Verantwortung nicht gerecht. "Wir halten zusammen" ist das wichtigere Signal.
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