Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die traditionell zur Schätzung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) verwendeten "harten" Konjunkturdaten sind nach Aussage von Unicredit wegen des coronabedingten Absturzes der Wirtschaftsaktivität schlecht für die Entwicklung im ersten Quartal geeignet. Auch Umfrageindikatoren seien nur bedingt nützlich, schreibt Volkswirt Andreas Rees. Das Statistische Bundesamt (Destatis) veröffentlicht die Daten am 15. Mai (um 10.00 Uhr statt wie üblich um 08.00 Uhr).
"Traditionelle Daten können den seit Mitte März eingetretenen starken Verlust an Wirtschaftsaktivität nur teilweise widerspiegeln", schreibt Rees. Grund sei, dass vor allem der Dienstleistungssektor, für den es noch keine Daten gebe, stark betroffen sei - also Hotels, Restaurants, Reisebüros, Fluggesellschaften, Bahn. Wie könnten die Statistiker bei Destatis das schätzen?
Rees rechnet das am Beispiel des Beherbergungsgewerbes vor, dass für 1,7 Prozent der Bruttowertschöpfung Deutschlands steht. Er unterstellt, dass die Aktivität von 100 Prozent in der ersten März-Hälfte auf 0 in der zweiten Hälfte gefallen ist. Macht im Durchschnitt 50 Prozent. Das würde die gesamte Wertschöpfung im März um 0,9 Prozent mindern und im ersten Quartal um 0,3 Prozent. Ähnliche Rechnungen hat Rees für die oben genannten Sektoren aufgemacht und kommt für das erste Quartal auf ein BIP-Minus von 2,5 Prozent.
Das passt zumindest von der Größenordnung her dazu, dass das BIP des Euroraums um 3,8 Prozent gesunken ist, wie Eurostat bereits in erster Schätzung mitgeteilt hat, während die BIP-Rückgänge in Frankreich und Italien deutlich stärker ausfielen. Destatis hatte nur eine interne Schätzung nach Luxemburg übermittelt.
Um die Größenordnung des wohl deutlich stärkeren BIP-Rückgangs im zweiten Quartal abzuschätzen, beobachtet der Unicredit-Ökonom zwei in der Transportwirtschaft erhobene Indikatoren: Den Maut-Indikator des Umweltamts für Güterverkehr, der den Straßengüterverkehr von Lkw mit mindestens vier Achsen auf Bundesautobahnen misst, und den Cargo-Index der Arbeitsgemeinschaft deutscher Flughäfen (ADV).
"Die gute Nachricht ist, dass der Lkw-Index Anzeichen einer Stabilisierung zeigt, das heißt, nicht weiter gesunken ist", schreibt Rees. Allerdings habe es auch seit Beginn der Corona-Krise schon Anstiege gegeben, die sich dann als Fehlsignale erwiesen hätten. Echte Hoffnung macht ihm dagegen der Cargo-Index der Flughäfen, der Anfang Mai nur noch um 5,5 Prozent unter Vorjahresniveau lag.
Beide Indikatoren stehen sehr aktuell zur Verfügung. Am Cargo-Index findet Rees besonders nützlich, dass mit dem Flugzeug wegen der hohen Kosten nur besonders wichtige Güter transportiert werden, die wahrscheinlich besonders aussagekräftig im Hinblick auf die Wirtschaftsaktivität sind.
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May 07, 2020 08:50 ET (12:50 GMT)
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