Regensburg (ots) - Donald Trump spielt wieder die deutsche Karte. Man täusche sich nicht: Der US-Präsident mag zwar wie von allen guten Geistern verlassen durch die Corona-Krise irren, doch am sicheren Gespür für die Anliegen seiner Kernklientel fehlt es ihm nicht. Die Nato-Alliierten und zuvorderst Deutschland als säumige Schuldner zu brandmarken, dürfte ein Hit seiner Wahlkampagne sein. Und der Widerhall ist beachtlich. Bei Amerika-Besuchen sind selbst in Trump-fernen, liberalen Ostküstenstaaten Stimmen wie diese zu vernehmen: "Das ist der einzige Punkt, an dem ich mit ihm übereinstimme."
Die Kritiker des Truppenabzugs sind zahlreich, aber sie werfen dem Präsidenten eher eine strategische Fehleinschätzung vor. Romantische Motive - wie die über Jahrzehnte gewachsene und vielfach beschworene deutsch-amerikanische Freundschaft - spielen dabei jenseits des Atlantiks kaum mehr eine Rolle. So definiert sich nun mal Interessenpolitik.
Die Truppenreduzierung trifft vor allem die Oberpfalz hart. Nicht mehr so hart wie in der Ära des Kalten Krieges, als der strukturschwache Landstrich am Tropf des US-Militärs und seiner zivilen Angestellten hing. Die ökonomischen Folgen mögen letztlich beherrschbar sein. Allerdings bricht mit dem Abzug ein weiteres Stück der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik weg. Sie ist akut einsturzgefährdet. Und es fehlen hierzulande Ideen und Konzepte, auf denen man ein anderes tragfähiges Fundament errichten könnte.
Als ehemaliger Frontstaat fuhr Deutschland nach der Wiedervereinigung eine Friedensrendite ein und wähnte sich durch den neu entstandenen territorialen Puffer verbündeter Staaten in Osteuropa unangreifbar. Diese goldenen Zeiten sind längst vorbei. Trump pocht auf die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels bei den Verteidigungsausgaben. Geld allein wird jedoch die Gegensätze nicht auflösen. Der US-Präsident sieht die Nato unverhohlen als Instrument amerikanischen Hegemonialstrebens. Wenn er das Verteidigungsbündnis als "obsolet" bezeichnet, hat er die neuen Konfliktlagen im pazifischen Raum ebenso im Blick wie den Nahen Osten.
Das Prinzip der nuklearen Abschreckung gründete auf der Gewissheit, dass ein Erstschlag unweigerlich eine massive Reaktion provozieren würde. Die Drohung der gegenseitigen Vernichtung existiert spätestens seit Trumps "America-first"-Dogma nicht mehr, sie war schon zuvor ausgehöhlt. Bundeskanzlerin Angela Merkel trug dieser Entwicklung Rechnung, als sie bereits 2017 in einer Bierzeltrede in Trudering dies formulierte: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei." Ein Satz von epochalem Gewicht.
Allein, aus dieser Erkenntnis erwuchsen kaum Taten. Anstrengungen, eine eigenständige europäische Verteidigungspolitik zu etablieren, gab es, gewiss. Sie treten in Zeiten der Pandemie und angesichts der enormen wirtschaftlichen Herausforderungen in den Hintergrund. Großbritannien, das ein wichtiger Eckpfeiler einer solchen Strategie gewesen wäre, orientiert sich strikt transatlantisch und probt nach dem Brexit nicht nur ökonomisch den engen Schulterschluss mit den USA. Bleibt Deutschland unter dem Aspekt der nuklearen Teilhabe eigentlich nur die Option, verteidigungspolitisch unter den Schirm der französischen Force de frappe zu schlüpfen. Eine "deutsche Atombombe" scheidet derweil als Möglichkeit aus. Solche Gedankenspiele gibt es. Sie sind aus historischen Gründen abwegig.
Wie wichtig Europa für das Wohlergehen Deutschlands ist, wird derzeit vor allem unter ökonomischen Aspekten thematisiert. Dass der Kontinent auch sicherheitspolitisch einen Mehrwert produziert, ist eine der großen Zukunftsaufgaben. Allen Interessengegensätzen zum Trotz.
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Die Kritiker des Truppenabzugs sind zahlreich, aber sie werfen dem Präsidenten eher eine strategische Fehleinschätzung vor. Romantische Motive - wie die über Jahrzehnte gewachsene und vielfach beschworene deutsch-amerikanische Freundschaft - spielen dabei jenseits des Atlantiks kaum mehr eine Rolle. So definiert sich nun mal Interessenpolitik.
Die Truppenreduzierung trifft vor allem die Oberpfalz hart. Nicht mehr so hart wie in der Ära des Kalten Krieges, als der strukturschwache Landstrich am Tropf des US-Militärs und seiner zivilen Angestellten hing. Die ökonomischen Folgen mögen letztlich beherrschbar sein. Allerdings bricht mit dem Abzug ein weiteres Stück der Sicherheitsarchitektur der Bundesrepublik weg. Sie ist akut einsturzgefährdet. Und es fehlen hierzulande Ideen und Konzepte, auf denen man ein anderes tragfähiges Fundament errichten könnte.
Als ehemaliger Frontstaat fuhr Deutschland nach der Wiedervereinigung eine Friedensrendite ein und wähnte sich durch den neu entstandenen territorialen Puffer verbündeter Staaten in Osteuropa unangreifbar. Diese goldenen Zeiten sind längst vorbei. Trump pocht auf die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels bei den Verteidigungsausgaben. Geld allein wird jedoch die Gegensätze nicht auflösen. Der US-Präsident sieht die Nato unverhohlen als Instrument amerikanischen Hegemonialstrebens. Wenn er das Verteidigungsbündnis als "obsolet" bezeichnet, hat er die neuen Konfliktlagen im pazifischen Raum ebenso im Blick wie den Nahen Osten.
Das Prinzip der nuklearen Abschreckung gründete auf der Gewissheit, dass ein Erstschlag unweigerlich eine massive Reaktion provozieren würde. Die Drohung der gegenseitigen Vernichtung existiert spätestens seit Trumps "America-first"-Dogma nicht mehr, sie war schon zuvor ausgehöhlt. Bundeskanzlerin Angela Merkel trug dieser Entwicklung Rechnung, als sie bereits 2017 in einer Bierzeltrede in Trudering dies formulierte: "Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei." Ein Satz von epochalem Gewicht.
Allein, aus dieser Erkenntnis erwuchsen kaum Taten. Anstrengungen, eine eigenständige europäische Verteidigungspolitik zu etablieren, gab es, gewiss. Sie treten in Zeiten der Pandemie und angesichts der enormen wirtschaftlichen Herausforderungen in den Hintergrund. Großbritannien, das ein wichtiger Eckpfeiler einer solchen Strategie gewesen wäre, orientiert sich strikt transatlantisch und probt nach dem Brexit nicht nur ökonomisch den engen Schulterschluss mit den USA. Bleibt Deutschland unter dem Aspekt der nuklearen Teilhabe eigentlich nur die Option, verteidigungspolitisch unter den Schirm der französischen Force de frappe zu schlüpfen. Eine "deutsche Atombombe" scheidet derweil als Möglichkeit aus. Solche Gedankenspiele gibt es. Sie sind aus historischen Gründen abwegig.
Wie wichtig Europa für das Wohlergehen Deutschlands ist, wird derzeit vor allem unter ökonomischen Aspekten thematisiert. Dass der Kontinent auch sicherheitspolitisch einen Mehrwert produziert, ist eine der großen Zukunftsaufgaben. Allen Interessengegensätzen zum Trotz.
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