(neu: Interview mit Hogan und Reaktion der irischen Regierung, 3. und 8. Absatz)
BRÜSSEL (dpa-AFX) - EU-Handelskommissar Phil Hogan hat wegen Verstößen gegen Corona-Regeln seiner Heimat Irland seinen Rücktritt erklärt. "Es wurde immer klarer, dass die Kontroverse wegen meines jüngsten Besuchs in Irland von meiner Arbeit als EU-Kommissar ablenkte und meine Arbeit in den wichtigen nächsten Monaten untergraben würde", begründete Hogan am Mittwochabend seinen Schritt.
Kommissionschefin Ursula von der Leyen hat damit neun Monate nach ihrem Amtsantritt die ersten großen Turbulenzen in ihrem Team. Sie reagierte am Mittwochabend nur sehr knapp auf Hogans Erklärung. "Ich respektiere seine Entscheidung", erklärte von der Leyen. Er sei ein wertvolles und respektiertes Mitglied der Kommission gewesen. "Für seine Zukunft wünsche ich ihm alles Gute", fügte sie hinzu.
"Ich bin selbst zurückgetreten", sagte Hogan dem irischen Sender RTE. Er habe nicht auf Anordnung der Kommissionschefin gehandelt. "Das ist die richtige Entscheidung und ich bin damit glücklich." Er betonte jedoch in dem Interview: "Ich habe keine Gesetze gebrochen, ich habe keine Regeln gebrochen, aber ich habe die Richtlinien nicht befolgt."
Der Handelskommissar ist eine der wichtigsten Positionen in der mächtigen Brüsseler Behörde, denn sie ist dafür zuständig, Handelsabkommen im Namen aller 27 Mitgliedsstaaten mit Partnern weltweit zu vereinbaren. Wer Hogans Posten übernehmen soll und ob es größere Personaländerungen geben würde, war zunächst unklar. Irland kann einen neuen Kommissar vorschlagen, denn jedes der 27 EU-Länder ist in der Kommission vertreten.
Die irische Regierung hatte dem 60-Jährigen mehrere Verstöße gegen Pandemie-Auflagen während seines jüngsten Aufenthalts in seiner Heimat vorgeworfen. So hatte Hogan mit etwa 80 anderen Personen an einem Dinner einer Golf-Gesellschaft in einem Hotel im Westen Irlands teilgenommen. Dies verstieß gegen die dort geltende Obergrenze für Versammlungen. Wegen Teilnahme an derselben Veranstaltung war bereits der irische Landwirtschaftsminister Dara Calleary zurückgetreten.
Das Gesundheitsministerium in Dublin wirft Hogan außerdem vor, dass er nach seiner Einreise mit Fahrten innerhalb Irlands gegen Pandemie-Maßnahmen verstoßen habe. Auch wurde er nach eigenen Angaben mit dem Handy am Steuer erwischt. Von der Leyen forderte eine ausführliche Erklärung von Hogan und prüfte diese seit Dienstag akribisch.
Hogan erklärte dann am Mittwochabend, er bedaure den Wirbel um seine Irland-Reise zutiefst. Er habe versucht, sich an alle Covid-19-Auflagen zu halten. "Ich bekräftige meine tief empfundene Entschuldigung an das irische Volk wegen der Fehler, die ich während meines Besuchs gemacht habe", schrieb Hogan. Er sei sich der Schwere der Pandemie bewusst und verstehe die Wut der Betroffenen, wenn Amtsträger die Standards nicht einhielten. Er bezeichnete es als Ehre seines Lebens, als EU-Kommissar gedient zu haben.
Die irische Regierung bezeichnete Hogans Rücktritt als "richtigen Kurs", auch wenn es für ihn persönlich eine schwierige Entscheidung gewesen sein dürfte. "Wir alle haben die Verantwortung, die öffentliche Gesundheit zu unterstützen und Richtlinien und Vorschriften einzuhalten", heißt es in einer Mitteilung, die unter anderem von Premierminister Micheal Martin unterzeichnet war.
Hogan von der Fine-Gael-Partei hatte sein Amt als EU-Handelskommissar am 1. Dezember angetreten. Zuvor war er in der EU-Kommission von Jean-Claude Juncker für die EU-Agrarpolitik zuständig gewesen. Anfang der 1980er Jahre hatte der Ökonom vorübergehend den Bauernhof seiner Familie geführt, bevor er Parlamentsabgeordneter und später unter anderem Umweltminister wurde.
Hogan gilt als erfahrener und versierter Politiker und Verhandler. Zuletzt war der Ire sogar als möglicher neuer Generaldirektor der Welthandelsorganisation (WTO) gehandelt worden. Weil sich die Neubesetzung des WTO-Posten verzögerte, verzichtete er dann allerdings auf eine Kandidatur.
Als Handelskommissar hatte Hogan zuletzt vor allem viel Zeit in das Projekt gesteckt, den Handelsstreit mit den USA beizulegen. So handelte er mit Washington jüngst einen Deal über gegenseitige Zollerleichterungen aus. Kurz zuvor hatten die USA auf eine angedachte Verschärfung ihrer Strafzölle auf Produkte aus Deutschland und anderen EU-Staaten verzichtet.
Weiteres große Themen für Hogan waren das geplante Handelsabkommen der EU mit Großbritannien sowie eine grundlegende Überprüfung der aktuellen EU-Handelspolitik. Dabei sollte es auch um die Frage gehen, ob die EU die richtigen Instrumente hat, um sich vor unfairen Wettbewerbspraktiken zu schützen./si/DP/he