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WASHINGTON (dpa-AFX) - US-Präsident Donald Trump will noch in seiner ablaufenden Amtszeit den Posten der verstorbenen Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsburg nachbesetzen. Sollte es so kommen, könnte das die konservative Mehrheit im Obersten Gericht der USA auf Jahre oder sogar Jahrzehnte zementieren. Er werde eine Frau nominieren, voraussichtlich bereits in den kommenden Tagen, kündigte Trump am Wochenende an. Ginsburg, eine Ikone der Liberalen in Amerika, starb am Freitag mit 87 Jahren an den Folgen einer Krebserkrankung.
"Es wird eine Frau sein", legte sich Trump bei einem Wahlkampfauftritt im Bundesstaat North Carolina fest. Seine wahrscheinlichste Kandidatin sei Bezirksrichterin Amy Coney Barrett aus Chicago, berichtete unter anderem der Fernsehsender ABC unter Berufung auf Regierungskreise. Sie ist als klare Abtreibungsgegnerin bekannt - das ist ein zentrales Thema für Konservative in den USA.
Verfassungsrichter werden in den USA auf Lebenszeit ernannt. Mit ihrem Alter von 48 Jahren hätte Barrett potenziell eine lange Zeit am Supreme Court vor sich. Als eine aussichtsreiche Bewerberin gilt auch die 52-jährige Richterin Barbara Lagoa. Sie kommt aus Florida und damit aus einem Bundesstaat, in dem sich der Ausgang der anstehenden Präsidentenwahl entscheiden könnte. Trumps demokratischer Herausforderer Joe Biden führt dort aktuell laut Umfragen knapp.
Die Richter am Obersten Gericht der USA werden vom Präsidenten vorgeschlagen und vom Senat bestätigt. Er würde es vorziehen, dass die Kammer noch vor der Präsidentenwahl am 3. November abstimmt, sagte Trump. Die Demokraten um Biden lehnen das vehement ab. Sie hoffen darauf, nach einem Wahlsieg Bidens und einer eventuellen Verschiebung der Kräfteverhältnisse im Senat einen eigenen Kandidaten durchsetzen zu können.
Die Republikaner halten im Senat 53 der 100 Sitze. Unklar ist allerdings, ob auch eine Mehrheit für die schnelle Neubesetzung des vakanten Richterpostens am Supreme Court zustande kommt. Denn zwischen den politischen Lagern ist heftig umstritten, ob die Republikaner so kurz vor dem Ende der aktuellen Amtszeit Trumps noch über die Schlüsselpersonalie entscheiden sollten.
Das Oberste Gericht hat in den USA oft das letzte Wort bei heiklen Grundsatzfragen zu Streitthemen wie Abtreibung, Einwanderung, Waffenrecht und Diskriminierung. Nach dem Tod von Ginsburg werden nur noch drei der neun Richter klar dem liberalen Lager zugerechnet, alle anderen gelten als mehr oder minder konservativ.
Die Demokraten verlangen deshalb, mit einer Nominierung bis zur nächsten Präsidenten-Amtszeit zu warten, die am 20. Januar 2021 beginnt. Sie erinern daran, dass die Republikaner im Senat vor vier Jahren mit einem Hinweis auf das damalige Wahljahr den Kandidaten des scheidenden Präsidenten Barack Obama blockierten.
Der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, kündigte aber schon wenige Stunden nach Ginsburgs Tod an, über eine Kandidatur für ihre Nachfolge abstimmen zu wollen. Er argumentiert, anders als damals gehörten der Präsident und die Mehrheit der Senatoren jetzt einer Partei an. Unter den Republikanern im Senat hat sich Susan Collins aus dem Bundesstaat Maine dafür ausgesprochen, den im November gewählten Präsidenten über Ginsburgs Nachfolge entscheiden zu lassen. Ihre Kollegin Lisa Murkowski aus Alaska betonte, sie werde keine Nachfolgeregelung vor der Präsidentenwahl unterstützen - äußerte sich aber nicht zu den Wochen danach.
In einer Yougov-Umfrage erklärten 86 Prozent der republikanischen Befragten, dass Trump einen Kandidaten vorschlagen sollte. Ebenfalls 86 Prozent der republikanischen Befragten sagten, dass der Senat diesen Kandidaten bestätigen sollte. Im Gegenzug waren 79 Prozent der Demokraten unter den Befragten gegen eine Bestätigung des Senats, sollte Trump einen Kandidaten benennen.
Ginsburg wurde mit ihrem Kampf für die Gleichberechtigung der Frauen, für Minderheiten und gegen Diskriminierung zu einer Justiz-Ikone und einem Idol der Bürgerrechtsbewegung. Bereits in den 1970er Jahren war sie als Juristin vor dem Obersten Gericht erfolgreich gegen Regeln vorgegangen, die Frauen diskriminierten. Auch dank ihr setzte sich im Supreme Court die Lesart durch, dass der 14. Zusatzartikel zur US-Verfassung auch die Gleichberechtigung der Frauen schützt. Auf dieser Basis wurde die Diskriminierung von Frauen schließlich als verfassungswidrig eingestuft.
Ginsburg wurde 1993 vom damaligen demokratischen Präsidenten Bill Clinton für den Supreme Court nominiert - und in der Folge zum wohl bekanntesten Gesicht der bis heute männerlastigen Richterriege. Die damals 60-Jährige war die zweite Frau überhaupt an dem Gericht. Auch in ihrer Studienzeit war sie eine der wenigen Frauen in einer Männerdomäne.
Einen Namen machte sich Ginsburg nicht zuletzt mit ihrer scharfen Argumentationsweise. Trump bezeichnete sie als Blender, vor einer Präsidentschaft des Republikaners und ihm als Person warnte sie trotz Neutralitätsgebots als Richterin ausdrücklich - was ihr harsche Kritik einbrachte. Viele Liberale feiern sie als Ikone. Ihr Gesicht findet sich auf Souvenirs und als Graffiti an Hausfassaden.
Ginsburg musste sich im August 2019 wegen eines bösartigen Tumors in der Bauchspeicheldrüse einer Strahlentherapie unterziehen. Bereits im Jahr davor war sie an der Lunge operiert worden, nachdem Ärzte zwei bösartige Knoten gefunden hatten. Nach Krankenhausaufenthalten teilte sie im Juli 2020 mit, dass sie erneut an Krebs erkrankt sei./so/DP/fba