DJ EU-Kommission hebt Mängel in deutschem Justizwesen hervor
BERLIN (Dow Jones)--Die EU-Kommission kritisiert in ihrem für Mittwoch erwarteten Rechtsstaatsbericht auch Entwicklungen in Deutschland. Eines der Mängel sei das Weisungsrecht von Landesjustizministern gegenüber Staatsanwälten, sagte die zuständige Kommissionsvizepräsidentin Vera Jourova dem Spiegel. "Justizminister sind nun mal Politiker, deshalb ist die Versuchung für sie groß, politischen Einfluss auszuüben." Daher könnten deutsche Staatsanwälte keine europäischen Haftbefehle ausstellen.
In dem Rechtsstaatsreport hat Brüssel zum ersten Mal alle EU-Länder systematisch darauf untersucht, wie es um Demokratie, Medienfreiheit und Korruptionsbekämpfung bestellt ist. "Generell gilt für Deutschland wie für alle EU-Länder: je unabhängiger und effizienter die Justiz, desto besser", so Jourova. Schwierigkeiten hat die Kommission demnach auch mit der Dauer von Gerichtsverfahren. "Auch wenn die Justiz in Deutschland grundsätzlich gut funktioniert, zeigt unser Bericht, dass Verfahren in erster Instanz immer länger dauern", betonte die für Werte und Rechtsstaat zuständige Vizepräsidentin der EU-Kommission.
Weiterhin muss Deutschland mit einem Vertragsverletzungsverfahren wegen des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zu den Anleiheaufkäufen der EZB rechnen, in dem die Karlsruher Richter den Vorrang des Europäischen Gerichtshofs infrage gestellt haben. "Klar ist: Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts kann so nicht stehen bleiben", sagte die Tschechin. "Wenn wir es einfach so akzeptierten, wäre das Wasser auf die Mühlen der Regierenden in Ungarn oder Polen. Die Folgen für die EU könnten zerstörerisch sein."
Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums erklärte, zu den Inhalten noch nichts sagen zu können, weil der Bericht noch nicht vorliege. Das Auswärtige Amt, das für die Rechtsstaatsberichte federführend ist, war auf Anfrage von Dow Jones Newswires kurzfristig nicht erreichbar.
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September 25, 2020 12:23 ET (16:23 GMT)
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