
DJ Studie: Wasserstoffstrategie könnte Emissionen steigen lassen
BERLIN (Dow Jones)--Ohne einen deutlich schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien drohen die Treibhausgasemissionen mit dem Wasserstoff-Markthochlauf nach oben zu schnellen. Denn die in der nationalen Wasserstoffstrategie geplanten Elektrolyseziele lassen den Strombedarf steigen, während die Ökostrom-Ziele dem bis 2030 hinterherhinken, warnt eine Studie des Thinktanks Aurora Energy Research. Im ungünstigsten Fall würde Wasserstoff teilweise mit Kohlestrom erzeugt, so die Experten.
Der so produzierte Wasserstoff sei sogar klimaschädlicher als der aus Erdgas gewonnene so genannte graue Wasserstoff, erklärt der Berliner Aurora-Projektleiter Jan-Lukas Bunsen. Ein weiteres Problem ist laut der Studie, dass die Erneuerbaren wegen des steigenden Strombedarfs bis 2030 gerade mal 55 Prozent Marktanteil erreichen. Ziel sind eigentlich 65 Prozent. Im Gesetzentwurf für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geht die Bundesregierung trotz der ambitionierten Wasserstoff-Ziele bislang aber nicht von einem steigenden Strombedarf aus: In zehn Jahren soll er immer noch bei rund 580 Terawattstunden liegen - etwa so viel wie im vergangenen Jahr.
"Um das 65-Prozent-Ziel trotzdem zu erreichen, müssten die heute installierten 125 Gigawatt erneuerbare Stromerzeugungskapazität bis 2030 fast verdoppelt werden", sagt Bunsen. Das sei mit den aktuellen Ausbauzielen der Bundesregierung jedoch nicht erreichbar. Die Studienautoren empfehlen daher, Wasserstoffwirtschaft und Ökostrom-Ausbau als Gesamtpaket zu betrachten und Maßnahmen eng aufeinander abzustimmen, wodurch sich auch wirtschaftliche Synergien heben ließen.
Nötig sei auch ein rascher Ausbau der Elektrizitäts- und Verteilnetze. So rechnet die Studie mit mindestens 11.000 Kilometern an neuen Stromleitungen bis 2030. Die Umstellung von Infrastruktur und Industrieanlagen auf Wasserstoff werde demnach zwei- bis viermal so viel kosten wie die nötigen Subventionen für die Wasserstofferzeugung aus Ökostrom. Zusätzlich brauche es Förderanreize für Stahl- und Chemieunternehmen, für den Betrieb der Transport- und Speicherinfrastruktur, und ein System zur Zertifizierung des Wasserstoffs.
Kontakt zur Autorin: petra.sorge@wsj.com
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November 09, 2020 04:21 ET (09:21 GMT)
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