11.12.2020 -
Kurz vor Ende des Jahres kommt es noch einmal zu wichtigen politischen Weichenstellungen. In Frankfurt traf sich am Donnerstag der EZB-Rat (zumindest virtuell); später am Donnerstag begann das Treffen der Staats- und Regierungschefs der EU. Und in der nächsten Woche steht dann noch eine Sitzung des Offenmarkausschusses der US-Notenbank auf der Tagesordnung.
Die geldpolitische Fragestellung ist auf beiden Seiten des Atlantiks ähnlich: Die wirtschaftlichen Risiken durch die zweite Welle von Corona-Infektionen in Europa und Nordamerika sind abzuwägen gegenüber der Aussicht auf eine vermutlich dynamische Wachstumsbelebung, wenn die Witterung auf der Nordhalbkugel milder wird und in zunehmender Breite geimpft wird.
Die EZB hat gestern ihre Entscheidung getroffen. Das temporäre Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP) wird um 9 Monate verlängert und das Gesamtvolumen des Programms um 500 Mrd. Euro auf insgesamt 1,85 Billionen Euro erhöht (Ende November waren davon ca. 700 Mrd. Euro genutzt). Die Anleihekäufe im Rahmen der laufenden Programme (APP) werden unverändert mit 20 Mrd. Euro pro Monat fortgesetzt, der im vergangenen März beschlossene, ergänzende Ankaufrahmen von 120 Mrd. Euro läuft zum Jahresende planmäßig aus. Darüber hinaus wurde die Serie der gezielten längerfristigen Refinanzierungsgeschäfte (TLTRO) mit dreijähriger Laufzeit bis Ende 2021 verlängert. Außerdem sollen die großzügigen Konditionen der TLTRO bis Juni 2022 gelten, 12 Monate länger als zuvor. Erwartungsgemäß unverändert blieben die Leitzinssätze mit -0,5% (Einlagensatz) bzw. 0,0% (Hauptrefinanzierungssatz).
Angesichts des neuerlichen Lockdowns ist in der EWU für das vierte Quartal und vermutlich auch für das erste Quartal mit einer deutlichen Dämpfung der wirtschaftlichen Aktivität zu rechnen. In mehreren EWU-Ländern, eventuell für den Euroraum insgesamt, dürfte es zu einem erneuten Rückgang des realen BIP kommen. Das spiegelt sich auch in den Wachstumsprognosen der EZB für das Jahr 2021 wider, die auf 3,9% nach unten revidiert wurden. Zusätzliche Risiken ergeben sich aus Sicht der EZB insofern, als die zweite Welle des Lockdowns in einigen Branchen auf bereits angeschlagene Unternehmen trifft, die Banken gerade bei der Kreditvergabe an Unternehmen merklich restriktiver geworden sind und die Euro-Stärke die Preisentwicklung tendenziell bremst.
Das Mantra der EZB-Politik ist derzeit, die außerordentlich günstigen Finanzierungsbedingungen zu erhalten: ("(…) contribute to preserving favourable financing conditions over the pandemic period, thereby supporting the flow of credit to all sectors of the economy, (…)"). Das gilt also nicht nur für die Finanzierungsmöglichkeiten der Unternehmen, sondern auch für staatliche Gläubiger. Denn angesichts der hohen Verschuldung und des durch den zweiten Lockdown nochmals erhöhten Finanzierungsbedarfs erhöhen sich die Haushaltsrisiken der EWU-Staaten. Jede Verteuerung der Finanzierung würde die Spielräume im Budget weiter einengen und kann die Wahrnehmung der Schuldentragfähigkeit der Staaten an den Märkten entscheidend beeinflussen. Mit der Verlängerung bzw. Aufstockung der Anleihekäufe signalisiert die EZB den Märkten, dass die Notenbank weiterhin ihre schützende Hand über den Anleihemarkt hält.
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