BERLIN (dpa-AFX) - Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, wirft den politischen Entscheidern vor, sich in der Corona-Krise zu sehr an Naturwissenschaftlern zu orientieren. "Mich stört, dass so manche Verantwortliche in der Politik offensichtlich meinen, man dürfe in Zeiten der Pandemie so ziemlich alles an Einschränkungen vornehmen", sagte Papier den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag). "Sie orientieren sich auch vornehmlich an den Ratschlägen von Naturwissenschaftlern und hören zu wenig auf Verfassungsjuristen und Sachverständige, die etwas sagen könnten zu den gesellschaftlichen Nebenwirkungen der Corona-Bekämpfung."
Man müsse auch die ökonomischen, sozialen und kulturellen Lebensgrundlagen der Menschen im Auge behalten, forderte Papier. "Die Politik ist auch dem Freiheitsschutz der Bürger verpflichtet. Die Menschen in diesem Land sind keine Untertanen."
Mit Blick darauf, dass in der Pandemie viele Entscheidungen von den Regierungen in Bund und Ländern und nicht von den Parlamenten getroffen werden, sagte Papier: "Ich hätte mir als Staatsrechtler nie vorstellen können, dass derart intensive Freiheitsbeschränkungen von der zweiten Gewalt, der Exekutive, beschlossen werden."/sax/DP/stk