PARIS/FRANKFURT (dpa-AFX) - Europas Banken müssen sich in diesem Jahr wieder einem Stresstest der Aufseher unterziehen. In den nächsten Monaten haben 50 Geldhäuser durchzurechnen, ob ihre Kapitalpuffer auch im Falle eines hypothetischen Krisenszenarios ausreichend wären. Berücksichtigt wird dabei, dass die wirtschaftlichen Rückschläge infolge der Corona-Pandemie länger anhalten könnten, wie die europäische Bankenaufsicht EBA am Freitag mitteilte.
Der diesjährige EU-weite Stresstest, der wieder in Zusammenarbeit mit der EZB-Bankenaufsicht durchgeführt wird, werde "wertvolle Beiträge zur Bewertung der Widerstandsfähigkeit des europäischen Bankensektors liefern". Veröffentlicht werden sollen die Ergebnisse bis 31. Juli, ein genaues Datum teilte die EBA zunächst nicht mit.
In dem Krisenszenario wird unterstellt, dass die Wirtschaft in der Europäischen Union in den drei Jahren bis 2023 kumuliert um 3,6 Prozent schrumpft. Zugleich würde die Arbeitslosenquote um 4,7 Prozentpunkte steigen. Bei den Preisen für Häuser und Wohnungen (minus 16,1 Prozent) sowie Gewerbeimmobilien (minus 31,2 Prozent) wird ein deutlicher Einbruch unterstellt.
Die in dem Test berücksichtigten Finanzinstitute stehen für rund 70 Prozent des Bankenmarktes in Europa gemessen an den Vermögenswerten. 38 der 50 Institute sind Banken aus dem Euroraum, die zentral von der Europäischen Zentralbank (EZB) überwacht werden. Die EZB beaufsichtigt seit November 2014 die größten Banken und Bankengruppen im Euroraum direkt, derzeit sind dies 115 Institute, die für fast 82 Prozent des Marktes im Währungsraum der 19 Länder stehen.
In Deutschland nehmen die Aufseher folgende sieben Institute unter die Lupe: Bayerische Landesbank, Commerzbank, Deutsche Bank, DZ Bank, Landesbank Baden-Württemberg, Landesbank Hessen-Thüringen, Volkswagen Bank.
Die Aufseher versprechen sich von dem Test Erkenntnisse darüber, wann die vorübergehenden Lockerungen zum Beispiel bei Kapitalvorgaben im Zuge der Corona-Pandemie wieder zurückgefahren werden können. Oder ob eventuell zusätzlich Hilfsmaßnahmen in Betracht gezogen werden müssen, falls sich die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen weiter verschlechtern sollten.
Weltweit überprüfen Aufseher regelmäßig, wie anfällig Banken im Krisenfall wären. Die Tests sollen möglichst frühzeitig Risiken in den Bilanzen offenlegen. Gegebenenfalls können Aufseher in der Folge von einzelnen Geldhäusern frühzeitig einfordern, ihre Kapitalpuffer für Krisenzeiten zu verstärken. Unumstritten sind Stresstests jedoch nicht: Welche Risiken in den hypothetischen Szenarien wie stark gewichtet werden, liegt letztlich in der Hand der Aufseher.
Eigentlich sollte die neue Auflage des europäischen Bankenstresstests schon 2020 durchgeführt werden. Doch um den Instituten mitten in der Pandemie nicht noch weitere Aufgaben aufzubürden, verschob die EBA die Prüfung um ein Jahr.
Beim letzten großen europäischen Bankenstresstest 2018 hatten sich die Kapitalpuffer bei den meisten der seinerzeit 48 untersuchten Institute auch unter widrigen Bedingungen als tragfähig erwiesen. Unter den acht deutschen Instituten im damaligen EBA-Test hatte die die NordLB am schlechtesten abgeschnitten./ben/DP/men