02.03.2021 - Der jüngste Renditeanstieg bei Staatsanleihen hat die EZB in grosse Aufregung versetzt. Bereits am Montag der vergangenen Woche liess Notenbankpräsidentin Christine Lagarde verlauten, man werde die Situation genau beobachten. Chefvolkswirt Philip Lane wurde noch deutlicher. Demnach würden die Währungshüter in Frankfurt keine unangemessene Verschärfung der Finanzierungskonditionen dulden. Im Rahmen des Pandemie-Notfallprogramms könnten die Wertpapierkäufe jederzeit hochgefahren werden.
Anlass für die Unruhe war, dass die Rendite 10-jähriger Bundesanleihen am 22. Februar die Marke von -0,30% nach oben durchstossen und damit insgesamt seit Jahresbeginn gut 30 Basispunkte zugelegt hatte. Ähnlich sieht es aus, wenn die 10-jährige Durchschnittsrendite der Eurozone betrachtet wird. Sie legte in den vergangenen Wochen von -0,25% auf +0,10% zu. Weniger als 0,5%-Punkte Renditeanstieg haben somit ausgereicht, dass die EZB kalte Füsse bekommt.
Dabei gibt es gute Gründe für die Trendwende bei den Staatsanleihenrenditen. So ist von Deflation nicht mehr viel zu sehen. Die Inflationsrate der Eurozone liegt 2021 wieder deutlich im Plus. Allein der Höhenflug bei den Rohstoffpreisen spricht dafür, dass es in den nächsten Monaten weiter aufwärtsgeht. Die seit Jahresbeginn zu beobachtende Erholung bei den Inflationserwartungen ist somit nachvollziehbar und entspricht eigentlich dem Wunsch der EZB.
EZB greift immer stärker in den Kapitalmarkt einAber auch die konjunkturelle Lage hat sich verbessert. Bereits die aktuellen Daten zeigen, dass der pandemiebedingte Abwärtsdruck auf die Wirtschaft nachlässt. Das verarbeitende Gewerbe befindet sich sogar in einem Boom. Gleichzeitig hellt sich der Ausblick für den Dienstleistungssektor auf. Die EU-Impfkampagne verläuft zwar schleppend, dennoch dürften selbst hier die am stärksten gefährdeten Personen bald geimpft sein. Damit ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis die Lockdowns zu einem grossen Teil aufgehoben werden können.
In Anbetracht dieser Perspektiven ist auch ein moderater Anstieg der realen Renditen gerechtfertigt und für die Wirtschaft zu verkraften. Genauso sieht es die Fed. Jerome Powell sprach mit Blick auf den Renditeanstieg sogar von einem »Vertrauensbeleg« in den wirtschaftlichen Aufschwung.
Den Währungshütern in Frankfurt hingegen ist die lehrbuchmässige Zinsreaktion ein Dorn im Auge, weshalb sie eine Korrektur anstreben. Damit setzt sich bei der EZB eine Tendenz fort, das freie Spiel der Marktkräfte bewusst zu manipulieren. Bei den Risikoaufschlägen war die Notenbank bereits erfolgreich. Jetzt gerät auch noch das Zinsniveau in ihr Visier.
Im weiteren Jahresverlauf dürfte EZB steigende Renditen tolerierenDabei wäre die Aussicht auf moderat steigende Zinsen ein Segen - vor allem für Sparer und Banken. Schliesslich bewegen sich die Renditen deutscher Bundesanleihen bereits seit sieben Jahren an oder unter der Nulllinie. Aus Sicht der Finanzmarktstabilität (Stichwort: Vermögenspreisblasen) und der Funktionsfähigkeit der Marktwirtschaft (Stichwort: Zombie-Unternehmen) ist es sogar gefährlich, makroökonomisch fundierte Renditeanstiege zu unterdrücken. Nicht zuletzt deshalb haben sich die Notenbanken in der Vergangenheit bewusst dazu entschieden, nur den kurzfristigen Zins und eben nicht die langfristigen Kapitalmarktrenditen zu steuern. Von diesen Grundsätzen, die zu Zeiten der Deutschen Bundesbank sakrosankt waren, entfernt sich die EZB aber immer stärker.
Ganz verloren gegangen dürfte das ordnungspolitische Gewissen der Währungshüter in Frankfurt aber dann doch nicht sein. Spätestens, wenn die Wirtschaft erneut wächst, was bereits im 2. Quartal der Fall sein sollte, dürfte auch die EZB mit zunehmender Gelassenheit reagieren und wieder mehr Markt- als Planwirtschaft zulassen. Der Aufwärtstrend der Renditen von Staatsanleihen der Eurozone sollte sich daher im Jahresverlauf fortsetzen.
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