BARCELONA (dpa-AFX) - Der separatistische Politiker Pere Aragonès hat bei der Wahl eines neuen Regierungschefs im katalanischen Parlament die erforderliche Mehrheit weit verfehlt. Für den Kandidaten der links-republikanischen Partei ERC stimmten am Freitagabend nach zehnstündiger Debatte nur 42 Abgeordnete: die 33 seiner eigenen Fraktion und die 9 der linksradikalen CUP. Im Regionalparlament mit 135 Abgeordneten hätte er mindestens 68 Stimmen gebraucht. Die Sozialisten mit 33 Sitzen und die anderen Parteien, die gegen eine Abspaltung von Spanien sind, stimmten gegen den 38-Jährigen.
Entscheidend für den Misserfolg von Aragonès war aber die liberal-konservative Separatistenpartei JxCat, mit der er eine Koalitionsregierung unter Tolerierung durch die CUP bilden möchte. Die 32 Abgeordneten der Partei des nach Belgien geflohenen früheren Regierungschefs Kataloniens, Carles Puigdemont, enthielten sich der Stimme. Die Verhandlungen über eine Koalitionsvereinbarung seien noch nicht weit genug fortgeschritten, begründete die Partei ihre Haltung knapp sechs Wochen nach der Wahl vom 14. Februar.
Aragonès will nun am kommenden Dienstag ein zweites Mal antreten. Dann reicht die einfache Mehrheit der anwesenden Parlamentarier. Sollte er erneut durchfallen, bliebe noch eine Frist bis zum 26. Mai, um eine Regierung zu bilden. Andernfalls gäbe es eine Neuwahl.
Der Fraktionsvorsitzende von JxCat, Albert Batet, rief Aragonès auf, am Dienstag nicht erneut anzutreten, um mehr Zeit für eine Einigung zu lassen. Es bestehe kein Zweifel, dass Aragonès gewählt werde, aber eben noch nicht jetzt. Aragonès lehnte das unter Hinweis auf die wirtschaftliche und soziale Krise und die Corona-Pandemie ab. Die neue Regierung müsse schnell handlungsfähig sein.
Die drei Parteien ERC, JxCat und CUP verbindet vor allem das Streben nach Unabhängigkeit der wirtschaftsstarken Region im Nordosten Spaniens. Auf vielen anderen Politikfeldern bestehen große Unterschiede. Das macht eine Einigung kompliziert und das Regieren schwerfällig.
Zudem will JxCat, dass der rechtlich gar nicht existierende "Rat für die Republik", den Puigdemont führt, die Federführung im Kampf für die Unabhängigkeitspolitik bekommt. Faktisch hätte Puigdemont damit in einem von der ERC angestrebten Dialog mit Madrid das letzte Wort, kommentierte die Zeitung "El Periódico". Die ERC lehnt das ab. Batet betonte, Aragonès könne ja gern einen Dialog mit Madrid führen. Seine Partei aber halte das für aussichtslos./ro/DP/he