BRÜSSEL (dpa-AFX) - Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir hat scharfe Kritik an dem Treffen von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Ratspräsident Charles Michel mit dem türkischen Präsident Recep Tayyip Erdogan geübt. Erdogan wolle die Opposition ausschalten, steige aus der Istanbul-Konvention zum Schutz von Frauen aus und bringe Hunderttausende Unschuldige vor Gericht, schrieb der Außenexperte am Dienstag auf Twitter. Dass sich die EU-Spitzen nun mit Erdogan träfen, "um Geschenke zu machen", sei "Brüsseler Selbstverzwergung" und "Hohn für alle Demokrat*innen der Türkei".
Hintergrund der Reise von von der Leyen und Michel an diesem Dienstag nach Ankara sind Vereinbarungen des EU-Gipfels vor eineinhalb Wochen. Bei ihm hatten sich die Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, die Beziehungen zur Türkei schrittweise wieder auszubauen. So sollen unter anderem die Vorbereitungen für Verhandlungen einer Ausweitung der Zollunion beginnen.
Mit den Beschlüssen soll der Türkei ein Anreiz gegeben werden, konstruktiv nach einer Lösung von Konflikten mit Griechenland und Zypern zu suchen. Bei ihnen geht es unter anderem um bis vor Kurzem erfolgte türkische Erdgaserkundungen in der Nähe von griechischen Inseln und vor Zypern. In dem Streit hatte die EU der Türkei im vergangenen Dezember scharfe Sanktionen angedroht. Daraufhin beendete das Land die umstrittenen Erdgaserkundungen und signalisierte Gesprächsbereitschaft.
Der CSU-Politiker und Europaabgeordnete Manfred Weber betonte, eine Ausweitung der Zollunion mit der Türkei stehe aus seiner Sicht noch nicht an. "Die türkische Führung muss zunächst einmal liefern", kommentierte der Fraktionsvorsitzende der Christdemokraten. Klar sei auch, dass ein EU-Beitritt der Türkei eine Illusion sei.
Von der Leyen und Michel wollten sich am Dienstagmittag mit Erdogan treffen. Vorher war noch ein Gespräch mit Vertretern von Organisationen der Vereinten Nationen und der Internationalen Organisation für Migration (IOM) geplant gewesen. Bei sollte es vor allem um die zukünftige Unterstützung der syrischen Flüchtlinge in der Türkei, aber auch um den jüngsten Austritt der Türkei aus dem Abkommen zum Schutz von Frauen gehen./aha/DP/fba