Regensburg (ots) - Die Inszenierung des digital abgehaltenen FDP-Parteitages zumindest war großartig. Vielleicht gäbe der am Wochenende mit satter 93-Prozent-Mehrheit wiedergewählte Parteivorsitzende Christian Lindner auch einen respektablen Theater- oder Film-Regisseur ab. Mal hinter dem Pult, mal gestikulierend davor. Immer in Richtung Kamera, auf die Bildschirme des imaginären Parteitages-Auditoriums. Vom Auftritt her schon ziemlich großes Kino. Die Freidemokraten, die noch vor ein paar Monaten gefährlich nahe an der Fünfprozent-Marke entlang schrammten, haben zweifellos Wind unter die Flügel bekommen. Umfragen sehen sie derzeit bei deutlich über zehn Prozent. Der Parteikongress könnte ihnen weiteren Aufwind bescheren. Und sollte es bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt in drei Wochen, nach zehn Jahren in der dortigen Opposition, zum Einzug ins Magdeburger Parlament reichen, wäre das der ideale Start in den Bundestagswahlkampf, hoffen Christian Lindner und seine Parteistrategen. Auf jeden Fall ging der FDP-Chef in seiner Rede mit den politischen Konkurrenten von Union, Grünen und SPD sehr moderat und respektvoll um. Das war beispielhaft. Ein wohltuendes Kontrastprogramm zu den Holzereien, Pöbeleien und Beleidigungen, die es in Äußerungen in sozialen Medien leider zuhauf gibt. Die derzeit guten Umfragewerte der Liberalen werden durch ihr politisches Programm allerdings nur zum Teil gerechtfertigt. Die flotten Reden Lindners können kaum darüber hinwegtäuschen, dass vor allem die Liberalen von der Kritik an der Corona-Politik der schwarz-roten Bundesregierung und vom Kanzler-Kandidatenchaos in der Union profitieren. Dem harten Lockdown-Kurs von Merkel, Söder und Co. setzt die FDP die Eigenverantwortung des Einzelnen sowie wirtschaftliche Vernunft entgegen. Während als Lehre aus der Pandemie fast alle anderen Parteien nach dem starken Staat, nach mehr staatlicher Vor- und Fürsorge rufen, verlangt die FDP den schlanken Staat. Und anders als etwa die Corona-Leugner von der AfD redet Lindner die Bedrohung durch die Pandemie nicht klein, sondern hält sich an wissenschaftliche Fakten. Mit dem Blick auf die Zeit nach der Krise freilich bleibt die FDP bei ihrem bekannten Mantra der Steuersenkungen, des freien Wettbewerbs und der weitgehenden Ablehnung staatlicher Vorgaben. Von einer interessanten Ausnahme allerdings abgesehen: die Menge des maximalen Ausstoßes an klimaschädlichen Kohlendioxid pro Jahr wollen die Liberalen gesetzlich festlegen lassen. So radikal gehen das nicht einmal die Grünen an, die dagegen auf eine kräftige Erhöhung der CO2-Steuer pochen. Wie die offenbar einzige verbliebene Steuersenkungs-Partei dieses Programm auch politisch umsetzen kann, steht allerdings auf einem ganz anderen Blatt. Lindner treibt jetzt vielmehr die Sorge um, dass seine Partei für eine künftige Bundesregierung schlicht nicht gebraucht werden könnte. Deshalb warnt er so eindringlich vor Schwarz-Grün. Man dürfe Armin Laschet nicht mit Annalena Baerbock von der Öko-Partei alleine lassen. Und, aus Sicht der so regierungswilligen Freidemokraten noch schlimmer, es dürfe keinesfalls zu Grün-Rot-Rot kommen. All diese möglichen Koalitionen nach der Wahl am 26. September wird allerdings eine Partei mit knapp über zehn Prozent der Wählerstimmen nicht verhindern können. Lindner, der im November 2017 ein im Bund durchaus mögliches Jamaika-Bündnis Knall und Fall platzen ließ ist in gewisser Weise ohnmächtig. Er hat im Grunde nur eine wirkliche Machtoption, nämlich die einer Koalition mit der Union. Aber die ist derzeit so unwahrscheinlich wie ein plötzliches Ende der Pandemie.
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