TOULOUSE (dpa-AFX) - Der Flugzeugbauer Airbus rüstet sich mit Blick auf eine Erholung von der Corona-Pandemie für einen kräftigen Ausbau der Produktion. Von den Passagierjets der A320- und A220-Reihe könnten Mitte des Jahrzehnts jeden Monat sogar so viele Exemplare fertig werden wie nie zuvor, teilte der Konzern am Donnerstag in seiner Schaltzentrale in Toulouse mit. Bei den Großraumjets der Reihen A330 und A350 dürfte die Produktion das krisenbedingt gedrosselte Niveau hingegen vorerst kaum verlassen.
An der Börse kamen die Nachrichten hervorragend an. Die Airbus-Aktie legte am Morgen in Paris zeitweise um fast sieben Prozent zu. Um die Mittagszeit lag sie noch mit 6,11 Prozent im Plus bei 103,64 Euro und war damit weiterhin Spitzenreiter im französischen Leitindex Cac 40 . Die größte positive Überraschung seien die Produktionspläne für die A320-Reihe, schrieb Analyst Sandy Morris von der Investmentbank Jefferies.
Auch für die Aktien der Triebwerksbauer MTU und Safran ging es deutlich aufwärts. So zeichnet MTU zusammen mit der Raytheon-Technologies-Tochter Pratt & Whitney für rund jedes zweite Triebwerk der A320-Reihe und deren Neuauflage A320neo verantwortlich. Bei der anderen Hälfte der Maschinen kommen die Antriebe von CFM zum Einsatz, einem Gemeinschaftsunternehmen von Safran und dem US-Konzern General Electric . MTU und Pratt & Whitney liefern zudem die Antriebe für den Airbus A220.
Die Airbus-Führung erwartet weiterhin, dass der Markt für Verkehrsflugzeuge zwischen 2023 und 2025 wieder auf das Niveau aus der Zeit vor der Pandemie zurückkehrt. "Die Luftfahrtbranche beginnt sich von der Covid-19-Krise zu erholen", sagte Konzernchef Guillaume Faury. Angeführt werde die Erholung vom sogenannten Single-Aisle-Segment - also Flugzeugen mit einem Gang zwischen den Sitzen, zu denen bei Airbus die absatzstärkste Reihe A320 und die kleinere A220 zählen.
Nachdem Airbus die Produktion der A320-Familie wegen der Krise im vergangenen Jahr von etwa 60 auf 40 Maschinen pro Monat gedrosselt hatte, soll es im vierten Quartal des laufenden Jahres wie geplant wieder auf monatlich 45 Exemplare nach oben gehen. Für die kommenden Jahre peilt Faury jetzt allerdings einen deutlich stärkeren Ausbau an.
Demnach sollen sich die Zulieferer bis zum zweiten Quartal 2023 auf eine feste Rate von 64 Flugzeugen vorbereiten. Bis zum ersten Quartal 2024 sollen sie sich auf monatlich 70 Maschinen einrichten. Zudem prüfe Airbus Möglichkeiten für Raten von bis zu 75 im Jahr 2025 - sofern sich der Markt weiter erholt. Dabei geht es vor allem um die spritsparende Neuauflage A320neo samt ihren kürzeren und längeren Varianten.
Der wichtigste Airbus-Konkurrent Boeing hat in diesem Segment lediglich die 737 im Angebot - vor allem deren modernisierte Auflage 737 Max. Nach zwei tödlichen Abstürzen hatten Behörden in aller Welt im März 2019 Flugverbote für die "Max" erlassen. In vielen Ländern wie den USA und der Europäischen Union darf der Typ nach einigen technischen Verbesserungen inzwischen wieder abheben.
Allerdings machen die Nachwirkungen der Startverbote dem Hersteller weiterhin zu schaffen - auch weil weitere technische Probleme an dem Typ aufgetaucht sind. Bisher will Boeing die 737-Produktion bis Anfang 2022 auf 31 Maschinen pro Monat hochfahren - und liegt damit unter Airbus' Plänen für die A320-Reihe.
Derweil stellt sich Airbus auch bei der kleineren A220 auf deutliche Steigerungen ein: Von derzeit 5 Maschinen soll es Anfang kommenden Jahres auf 6 pro Monat nach oben gehen - und auf 14 Flugzeuge pro Monat bis Mitte des Jahrzehnts.
Düsterer sieht es bei den großen Langstreckenjets aus: Bei der A350-Familie liege die durchschnittliche Produktionsrate bei 5 Flugzeugen pro Monat. Diese solle bis Herbst 2022 auf 6 steigen, hieß es weiter. Bei der A330-Familie bleibe die Produktion bei einer durchschnittlichen monatlichen Produktionsrate von 2 Flugzeugen.
Bei der A320-Reihe hatte Airbus schon unter Faurys Vorgänger Tom Enders mit Produktionsraten von 70 geliebäugelt. Faury hatte vorsichtiger geplant und vor dem Ausbruch der Pandemie monatlich 65 bis 67 Jets für das Jahr 2023 in Aussicht gestellt.
Die Corona-Pandemie hat die Luftfahrtbranche jedoch in die wohl schwerste Krise ihrer Geschichte gestürzt - und die Karten neu gemischt. So dürfte sich der Flugverkehr auf der Langstrecke nach Einschätzungen aus der Branche erst mit Verzögerung von dem Einbruch in der Krise erholen.
Schon im Jahr 2019 hatte Airbus für die längste Version der A320-neo-Reihe - die A321neo - eine Langstreckenvariante angekündigt. Sie soll als A321XLR ab dem Jahr 2023 an den Start gehen und Langstreckenflüge für Fluggesellschaften auch bei einer geringeren Ticketnachfrage rentabel machen. Airbus hatte erst vor wenigen Wochen erklärt, den Bau einer neuen Endmontage-Linie für die A320-Familie wieder aufzunehmen.
In dem bisherigen A380-Werk in Toulouse soll ab Ende 2022 auch die Langversion Airbus A321 gefertigt werden. Airbus hatte den Bau der neuen Montagelinie wegen der Corona-Krise im vergangenen Jahr zunächst auf Eis gelegt./stw/nau/ngu