Die große Abhängigkeit Europas von ausländischen Chip-Lieferanten dürfte sich in den kommenden Jahren weiter verschärfen, denn europäische Halbleiter-Produzenten geraten immer stärker ins Übernahme-Visier von Chip-Giganten aus Übersee. Was für den Technologiestandort Europa zum Riesenproblem wird, eröffnet für Anleger große Gewinnchancen.
Der Chip-Bedarf ist riesig
Die Corona-Pandemie ist nach wie vor nicht überwunden, und wäre das nicht schon schlimm genug, wird die Wirtschaft jetzt auch noch von einer weiteren Krise gefährdet: Der Chip-Krise. Der Auslöser für den neuen Krisenherd liegt einige Monate zurück und beruht auf einer Wechselwirkung. Als im Frühjahr 2020 die Erlöse der Automobilbranche weltweit einbrachen, stieg ebenso global die Nachfrage nach "Consumer-Electronics", denn Corona-bedingt verbringen die Menschen deutlich mehr Zeit als zuvor in ihrem zu Hause, das für viele auch zum neuen Arbeitsplatz wurde.
So stieg die Nachfrage vor allem nach Notebooks, PCs, Tablets, Grafikkarten, Smartphones, Videospielkonsolen und Smart-Home-Produkten kräftig an. Die Chip-Hersteller fanden so alternative Kunden zur Automobilindustrie. Doch die weltweiten Autoabsätze erholten sich im Laufe des Jahres 2020 überraschend schnell, weshalb die Automobilhersteller und die Autozulieferer wieder höhere Chargen an Mikrochips orderten. Doch die Chip-Produzenten konnten und können teilweise immer noch nicht die hohe Nachfrage bedienen, da sie mit der Produktion nicht nachkommen.
Was sind Halbleiter?
Bei Halbleitern handelt es sich um Stoffe, deren elektrische Leitfähigkeit zwischen der von leitenden Metallen, wie zum Beispiel Kupfer, und Nichtleitern (Isolatoren) wie beispielsweise Glas oder Keramik liegt. Die Leitfähigkeit eines Halbleiters ist stark von der Temperatur abhängig. Beim absoluten Nullpunkt verwandelt sich ein Halbleiter in einen Isolator. Umgekehrt nimmt in der Regel die elektrische Leitfähigkeit mit höheren Temperaturen zu. Das gilt auch bei der Zufügung von Verunreinigungen (Dotierung) oder unter Lichteinfluss. Wegen dieser besonderen Eigenschaften werden Halbleiter beim Bau von integrierten Schaltkreisen, wie Mikroprozessoren und Mikrochips, verwendet. Weitere Einsatzgebiete liegen unter anderem in der Solartechnik, Optik, Optoelektronik und der Dioden-Herstellung. Typische reine beziehungsweise kristalline (aus Kristallen bestehende) Halbleiter sind Germanium und Silicium.
Chip-Mangel in der Autoindustrie
Die Liste der von der Chip-Krise betroffenen Autobauer ist lang. So meldeten unter anderem Honda, Audi, Volkswagen, Daimler, Ford, Renault, Nissan, Subaru und Toyota Anfang 2021, dass sie Werke herunterfahren oder gar schließen mussten und Fabrikarbeiter nach Hause schickten, da es nicht genügend Halbleiter gibt, um die geplante Produktion damit abzudecken. Einerseits ist dies ein Planungsproblem. Viele Autobauer strichen wegen der Corona-Krise im vergangenen Jahr ihre Bestellungen bei den Chip-Herstellern zusammen und wurden in den vergangenen Monaten durch die sich schnell erholende Automobilnachfrage quasi auf dem falschen Fuß erwischt.
Andererseits ist die steigende Chip-Nachfrage aus der Autobranche auch ein Trend, der schon seit Jahren anhält und sich weiter verstärkt, da mit jeder neuen Autogeneration noch mehr Chips benötigt werden und sich Fahrzeuge mehr und mehr in vierrädrige Computer verwandeln, in denen oft Tausende von Halbleitern verbaut sind, vom Bordcomputer über die Motorsteuerung und Fahrerassistenzsystemen bis hin zu Komfortfunktionen wie beispielsweise der Sitzheizung.
Zwar haben die Chip-Hersteller ein Interesse daran, die Nachfrage zu bedienen und die Produktion hochzufahren, doch dafür muss erst einmal mehr Silizium, die Rohware der Chips, von den Silizium-Gießereien beschafft werden. Bei diesen "Foundries" ist aber inzwischen ein Nachfrageüberhang entstanden, sodass die eingehenden Bestellungen nicht mehr zügig abgearbeitet werden können.
Nach Corona-Krise die Chip-Krise
Die zu hohe Nachfrage ist aber nur das eine Problem. Das andere besteht darin, dass auch der Nachschub an Silizium ins Stocken geraten ist. Und das betrifft vor allem das mit Abstand wichtigste Produzentenland China. Hier schlossen die chinesischen Behörden in den vergangenen Jahren mehrere Fabriken, da diese die Umweltauflagen nicht einhalten konnten. Dieses Phänomen ist auch aus der Solarindustrie bekannt.
Und so trifft die Chip-Krise letztendlich die Grafikkarten-Hersteller ebenso wie die nachgelagerten Bereiche wie unter anderem Automobilindustrie und Zulieferer, Landwirtschaft, Chemie, Gesundheitsversorgung, Maschinenbau, Industrie 2.0, Digitalisierung, Künstliche Intelligenz, Mobilfunk und das Cloud Computing, denn es gibt praktisch keinen Sektor mehr, in dem Computer-Chips nicht inzwischen Einzug gehalten hätten. Uns so kann sich das Chip-Problem - genau wie der Corona-Virus - immer weiterverbreiten, über die verschiedensten Branchen und Länder hinaus.
Europa ist auf Chip-Lieferungen aus Übersee angewiesen
Besonders schwer getroffen von der derzeitigen Chip-Krise ist Europa, denn der Kontinent ist in extremem Maße abhängig von den Chip-Lieferungen aus Übersee. So dümpelt schon seit Jahren Europas Anteil am Weltmarkt für Halbleiter bei 10 Prozent. Auch die Prozessoren, in denen diese Halbleiter verbaut sind und die das Gehirn eines jeden Computers darstellen, stammen von Unternehmen aus Übersee.
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