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DIW: Stickoxid-Urteil des EuGH ist Folge verfehlter Verkehrspolitik

Finanznachrichten News

DJ DIW: Stickoxid-Urteil des EuGH ist Folge verfehlter Verkehrspolitik

BERLIN (Dow Jones)--Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gegen Deutschland wegen zu hoher Stickoxidwerte in Städten als "Folge einer noch immer verfehlten Verkehrspolitik" bezeichnet. "Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs macht nochmals deutlich, dass Deutschland in puncto Luftreinhaltung in den Städten enormen Nachholbedarf hat", sagte DIW-Energieökonomin Claudia Kemfert.

Trotz der coronabedingt gesunkenen Emissionen würden die Stickoxidgrenzwerte auch heute noch in zahlreichen Städten überschritten. Der Dieselskandal von vor einigen Jahren werfe hier nach wie vor seine Schatten, zudem sehen man "die Auswirkungen einer verfehlten Verkehrspolitik, die zu wenig auf Luftreinhaltung, Nachhaltigkeit und Klimaschutz ausgerichtet war und ist". Kemfert forderte deshalb einen Ausstieg aus der jetzigen Verkehrspolitik. Die Bundesverkehrswegeplanung und Straßenverkehrsordnung sollten gezielt angepasst und strikt auf Klimaschutz und Nachhaltigkeit ausgerichtet werden.

Nötig sei auch eine integrierte Mobilitätsplanung, die auf Verkehrsvermeidung, -verlagerung und -optimierung setze. Es solle alles dafür getan werden, dass smarte und klimaschonende Mobilität zunimmt - samt Förderung des Schienenverkehrs, klimaschonendem Öffentlichen Personennahverkehr, Ausbau der Ladeinfrastruktur und Einführung einer Pkw-Maut. "Die Dieselsteuer sollte so schnell wie möglich erhöht und an die Benzinsteuer angeglichen werden", verlangte sie. Deutschland sollte ab sofort eine E-Auto-Quote von 25 Prozent und ab 2025 von 50 Prozent, gemessen an allen Neuzulassungen, einführen. "All dies würde auch dazu führen, dass wir zukünftig saubere Luft in den Städten haben und die Vorgaben der EU erfüllen."

Werte systematisch und fortdauernd überschritten 

Nach dem Urteil des EuGH hat Deutschland jahrelang nicht genug gegen die hohe Belastung mit Stickoxiden getan. Der Gerichtshof gab damit einer entsprechenden Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission gegen Deutschland statt. Die Grenzwerte seien von 2010 bis 2016 in 26 Städten und Regionen "systematisch und fortdauernd" überschritten worden. Deutschland habe "offenkundig nicht rechtzeitig geeignete Maßnahmen getroffen, damit der Zeitraum der Nichteinhaltung der Grenzwerte für Stickoxide in den 26 in Rede stehenden Gebieten so kurz wie möglich gehalten wird".

Die Deutsche Umwelthilfe begrüßte die Verurteilung Deutschlands und kündigte weitere Klagen an. "Die rechtskräftige Verurteilung der Bundesregierung durch das höchste europäische Gericht ist eine schallende Ohrfeige für die Diesellobbyisten auf der Regierungsbank", sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Er forderte eine Neuausrichtung der Mobilität in den Städten, eine schnelle Umwidmung von Straßenflächen in geschützte Radwege und Stilllegung beziehungsweise Hardware-Nachrüstung von knapp zehn Millionen Dieselautos auf Kosten der Hersteller. Nach dem Urteil erwarte man kurzfristige Maßnahmen der verbleibenden Städte. "Wenn nicht, werden wir diese wie in Stuttgart mit Vollstreckungsmaßnahmen kurzfristig gerichtlich durchsetzen", so Resch.

Die Grünen erklärte, das EuGH-Urteil sei "die nächste Klatsche für die Bundesregierung". Das Gericht dokumentiere das jahrelange Versagen, die Bevölkerung ausreichend vor Abgasen zu schützen, erklärten Fraktionsvize Oliver Krischer und die Sprecherin für Umweltpolitik, Bettina Hoffmann. "Bei den Stickoxidwerten in Innenstädten kann man noch keine Entwarnung geben." Das Urteil fordere die Bundesregierung zu konkreten Maßnahmen auf, dass in allen Städten die NO2-Grenzwerte eingehalten werden - und zwar zeitnah. "Der Verkehrsminister muss die Hände aus der Tasche holen", mahnten sie.

Nach Einschätzung des für die Verkehrspolitik zuständigen Unions-Fraktionsvize Ulrich Lange (CSU) hat das Urteil hingegen keine Konsequenzen für die deutsche Politik. "Deutschland hat seine Hausaufgaben bei der Verbesserung der Luftqualität in Städten längst gemacht. Im letzten Jahr lagen nur noch sechs Städte über dem Grenzwert, 2016 waren es noch 90", sagte Lange der Rheinischen Post. Das vom Bund aufgelegte Sofortprogramm Saubere Luft habe seine Wirkung gezeigt. Die gezielte Förderung der Elektrifizierung, von sauberen Bussen und Digitalisierung sei erfolgreich gewesen. "Auf diesem Weg werden wir auch noch weitere Verbesserungen erreichen", sagte der CSU-Politiker.

(mit Material von AFP)

Kontakt zum Autor: andreas.kissler@wsj.com

DJG/ank/brb

(END) Dow Jones Newswires

June 03, 2021 07:14 ET (11:14 GMT)

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