BERLIN/DARMSTADT (dpa-AFX) - Bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt haben vorherige Umfragen nach Einschätzung von Experten der CDU geholfen und das Ergebnis damit verändert. Mehrere Umfrageinstitute hatten vorher ein Kopf-an-Kopf-Rennen der Partei von Ministerpräsident Reiner Haseloff mit der AfD gesehen - am Wahlabend lagen beide Parteien dann 16 Prozentpunkte auseinander. "Ich glaube, das hat zu vielen Wählerwanderungen geführt von Linken, SPD und Grünen zur CDU", sagte der Darmstädter Politologe Christian Stecker mit Blick auf die Umfragen am Montag der Deutschen Presse-Agentur. "In dem Moment, in dem es darum ging, die AfD nicht zur stärksten Kraft zu machen, haben sich einige entschieden, strategisch zu wählen. Und dadurch sind der CDU noch Wählerinnen und Wähler zugeflossen."
Das Insa-Institut etwa hatte eineinhalb Wochen vor der Wahl noch die AfD knapp in Führung gesehen und wenige Tage vorher - ebenso wie das Civey-Institut - ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Die Umfragen seien wichtig, damit Wähler darauf reagieren und ihr Wahlverhalten anpassen können, erklärte Insa-Geschäftsführer Hermann Binkert. "Aber das Ergebnis entsprach wahrscheinlich eher den Wünschen der Wähler, als wenn sie die politische Stimmung nicht gekannt hätten und bei ihrer ursprünglichen Wahlabsicht geblieben wären."
Die Veröffentlichung kurz vor dem Wahltag samt möglicher Effekte auf das Wahlergebnis hält der Chemnitzer Politikwissenschaftlers Eric Linhart nicht für problematisch. Sie seien stets nur aktuelle Stimmungsbilder und keine Prognosen, betonte er: "Heute treffen viele Wähler und Wählerinnen ihre Entscheidung kurzfristiger als früher und sind weniger festgelegt auf eine bestimmte Partei."
Zur Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wiesen alle Institute eine vergleichsweise hohe Abweichung von den Wahlergebnissen auf, teilten die Meinungsforscher von Civey mit. Das sei ein Phänomen, das die Umfrageinstitute in den ostdeutschen Bundesländern wiederholt beobachteten: "Die Parteibindungen sind in Ostdeutschland niedriger als in anderen Bundesländern", teilte Civey mit.
Allerdings hatten andere Institute keinen engen Wahlausgang gesehen. Am besten schnitt im Rückblick die Forschungsgruppe Wahlen ab, die die CDU drei Tage vor der Wahl mit großem Abstand vorne sah - wenn auch nicht mit so großem wie schließlich im Wahlergebnis.
Umfragen suggerierten eine Präzision, die es vor allem im Osten mit der geringen Parteienbindung nicht gebe, beobachtet auch der Politologe Stecker. Den Wählern müsse ein kritischer Umgang mit Umfragen vermittelt werden: "Ein Balken, der angibt, dass die AfD vielleicht einen Prozentpunkt hinter der CDU liegt, es aber auch zehn sein können, wäre schon hilfreich", so der Politologe. Im Osten entschieden sich die Menschen kurzfristiger. "Das mit Umfragen zu erfassen, ist ganz, ganz schwierig", sagte Stecker.
Die Besonderheiten im Osten in einem statistischen Modell abzubilden, stelle alle Institute vor Herausforderungen, teilte Civey mit. Das Institut plant nach eigenen Angaben, künftig weiterhin zu prüfen, inwiefern Wähler in ihrer Entscheidung noch unsicher sind und die daraus resultierende Wählermobilität stärker zu berücksichtigen./sfx/DP/fba