ROM (dpa-AFX) - Mit einem Prozess Ende Juli will der Vatikan einem verlustreichen Immobiliengeschäft in der britischen Hauptstadt London auf den Grund gehen. Angeklagt am vatikanischen Gericht in Rom sind mehrere Personen und Firmen, wie der Heilige Stuhl am Wochenende mitteilte. Auf der Anklagebank sitzt auch ein Kardinal. Insgesamt lud die Justiz neun Männer und eine Frau aus Kirchen- und Laienämtern des vatikanischen Staatssekretariats sowie hochrangige Mitarbeiter der vatikanischen Finanzinformationsbehörde und Personen aus der internationalen Finanzwelt vor. Der erste Prozesstag ist für den 27. Juli angesetzt.
Hintergrund ist ein nicht nach Plan verlaufener Immobiliendeal im Londoner Stadtteil Chelsea, der in den Jahren 2018 und 2019 über die Bühne ging. Wie in einem langen Bericht des Medienportals "Vatican News" zu lesen war, war dem Staatssekretariat, der wichtigsten Behörde im Vatikan, damals offenbar nicht klar, dass Beteiligte an dem Deal in die eigene Tasche wirtschafteten.
Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin äußerte sich positiv über den angekündigten Prozessbeginn. Es sei gut, dass es eine Entscheidung gebe, weil die Justiz sich mehr als eineinhalb Jahre Zeit genommen habe, um darüber zu entscheiden, sagte die informelle Nummer Zwei des Vatikans bei einem Besuch in der französischen Stadt Straßburg am Sonntag vor Journalisten. Man müsse das Verfahren abwarten und hoffen, dass es die Wahrheit ans Licht bringe. Wenn er gebeten werde, vor Gericht auszusagen, würde er das machen, erklärte der 66-Jährige laut Nachrichtenagentur Ansa weiter.
Auf der Liste der Angeklagten steht zum Beispiel ein italienischer Investmentbanker. Dieser soll es dem "Vatican News"-Bericht zufolge geschafft haben, sich Anteile an der Immobilie zu sichern, mit denen er Stimmrechte hatte. Die Anteile des Vatikans hatten das jedoch nicht, und damit verlor der katholische Kirchenstaat die Kontrolle über die Immobilie. Der Vatikan musste schließlich für 23 Millionen Euro die Anteile zurückkaufen. Auch zwischen anderen Beteiligten sollen im Zusammenhang mit dem Immobiliengeschäft Gelder geflossen sein, wie es weiter hieß.
Gegen den Investmentbanker hatten die italienischen Behörden bereits im April einen Haftbefehl erlassen hatten. Die Justiz warf ihm Geldwäsche und das Ausstellen von Rechnungen für fiktive Finanzgeschäfte vor. Bei dem Immobiliendeal in London soll der Italiener einen illegalen Gewinn von 15 Millionen Euro gemacht, wovon ein Teil in den Kauf von Aktien geflossen sein soll.
Unter den Vorgeladenen ist auch Kardinal Giovanni Angelo Becciu. Gegen ihn besteht der Verdacht der Veruntreuung und des Amtsmissbrauchs. Papst Franziskus hatte den 73-Jährigen Ende September des vergangenen Jahres aus seinen Ämtern entlassen. Becciu bestreitet die Vorwürfe. "Ich bin das Opfer einer ausgeheckten Machenschaft zu meinem Schaden", erklärte er dazu. Er habe lange darauf gewartet, von den konkreten Anschuldigungen zu erfahren, damit er sie dementieren und der Welt seine Unschuld beweisen könne.
Die Liste an Vorwürfen gegen die Angeklagten ist lang. Sie reichen von Amtsmissbrauch über Geldwäsche, Betrug und Unterschlagung bis hin zu Korruption, wie aus der Mitteilung hervor ging. Verantworten soll sich auch der frühere Präsident der Vatikanischen Finanzinformationsbehörde, René Brülhart aus der Schweiz. Er sei überzeugt, dass die Anschuldigungen gegen ihn vollständig verpuffen, erklärte er. Er habe seine Aufgaben immer korrekt erfüllt.
Seit Juli 2019 ermittelten mehrere Behörden des Vatikans und Italiens in der Sache. Begonnen hatte alles mit einer Anzeige der Vatikanbank. Damals war von Unregelmäßigkeiten bei der finanziellen Beteiligung einer Immobilie in London die Rede. Dem Heiligen Stuhl zufolge kam dadurch ein weit verstricktes Netz an Personen zum Vorschein, die dem katholischen Kirchenstaat spürbare Verluste durch ihr Handeln einbrachten. Auch aus dem Peterspfennig, der einmal jährlich weltweit gesammelten Kollekte für den Vatikan, soll dafür Geld entnommen worden sein.
Die Untersuchungen erstreckten sich international bis in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Großbritannien, Jersey, Luxemburg, Slowenien und in die Schweiz. Der Prozess folgt dem Heiligen Stuhl zufolge nach den Reformen zur Transparenz in den vatikanischen Finanzen von Papst Franziskus. Der 84-Jährige griff nach dem Skandal durch und entzog dem Staatssekretariat die Verwaltung von Kapital- und Immobilienwerten. Darum kümmert sich jetzt die Güterverwaltung im Vatikan Apsa./jon/DP/he