WASHINGTON (dpa-AFX) - Nach heftigen deutsch-amerikanischen Turbulenzen in den vergangenen Jahren haben US-Präsident Joe Biden und Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ein klares Bekenntnis zur transatlantischen Partnerschaft abgelegt. "Wir sind nicht nur Verbündete und Partner, sondern eng befreundete Nationen", sagte Merkel am Donnerstag in Washington nach einem ausführlichen Gespräch mit Biden. Dieser stellte die Zusammenarbeit als alternativlos dar und dankte Merkel für ihre "starke Führungsrolle" in ihrer bald endenden Amtszeit. "Ich weiß, dass die Partnerschaft zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten auf dem Fundament, das Sie mit aufgebaut haben, noch stärker werden wird", so Biden weiter.
In einer "Erklärung von Washington" bekräftigten beide Seiten ihr Bekenntnis zu "enger bilateraler Zusammenarbeit bei der Förderung von Frieden, Sicherheit und Wohlstand auf der ganzen Welt".
Gleichzeitig machten Biden und Merkel deutlich, dass sie bei der umstrittenen Gaspipeline Nord Stream 2 weiter unterschiedlicher Auffassung seien. Auch gute Freunde könnten Meinungsverschiedenheiten haben, meinte Biden. Er warnte Russland davor, seine Energievorkommen als "Waffe" oder Druckmittel gegen seine Nachbarn wie die Ukraine einzusetzen. Er habe Merkel nochmals seine Bedenken bezüglich Nord Stream 2 ausgedrückt, sagte Biden bei der gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus. Die USA und Deutschland seien sich einig, die Ukraine bei Reformen und im Blick auf deren Souveränität und territoriale Integrität zu unterstützen.
Die fast fertiggestellte Pipeline soll Erdgas von Russland an der Ukraine vorbei direkt nach Deutschland bringen. Merkel betonte, Nord Stream 2 sei ein zusätzliches Projekt und keine Alternative zum Gastransit durch die Ukraine. "Unser Verständnis war und ist und bleibt, dass die Ukraine Transitland für Erdgas bleibt." Alles andere würde "sehr große Spannungen hervorrufen". Sie versicherte, "dass wir aktiv handeln werden, wenn Russland dieses Recht der Ukraine auf Transitland nicht einlösen wird".
Die Ostsee-Pipeline ist aktuell das größte Konfliktthema zwischen den USA und Deutschland. Die USA und einige osteuropäische Nato-Partner befürchten eine zu starke Abhängigkeit Europas von russischen Energielieferungen und lehnen das Projekt deswegen ab. Washington und Berlin bemühen sich seit Wochen um einen Kompromiss. Sie haben sich laut Außenminister Heiko Maas (SPD) bei vielen Punkten angenähert.
Merkel absolvierte in Washington einen Abschiedsbesuch. Dieser sollte den Neuanfang der deutsch-amerikanischen Beziehungen nach einem Tiefpunkt in der Ära von Bidens Vorgänger Trump markieren. Biden bemüht sich darum, die unter Trump schwer belasteten Beziehungen zu Deutschland und zu anderen Verbündeten der USA wieder zu reparieren. Merkel war die erste Regierungschefin aus Europa, die Biden seit seiner Amtsübernahme am 20. Januar im Weißen Haus empfing. Die CDU-Politikerin wird bei der Bundestagswahl im September nicht wieder kandidieren und sich danach aus der Politik zurückziehen.
Weitere Themen der Gespräche waren unter anderem die Beziehungen zu China und Russland sowie die Klimapolitik. Deutschland und die USA beschlossen nach Merkels Worten eine Energie- und Klimapartnerschaft. Dies sei ein wichtiges Zeichen, sagte die Kanzlerin. Es gehe um den Ausbau zukunftsfähiger Technologien wie Wasserstoff oder erneuerbare Energien. "Wir stehen hier im Wettbewerb mit anderen auf der Welt, und diesen Wettbewerb wollen wir erfolgreich bestehen." Merkel sagte, sie sei froh, dass die USA in das Pariser Klimaabkommen zurückgekehrt seien.
Unter Bidens Vorgänger Donald Trump hatte sich die USA aus dem Abkommen zurückgezogen. Biden machte diese Entscheidung an seinem ersten Tag im Amt wieder rückgängig.
Merkel hatte schon bei der Begrüßung durch Biden betont, dass sie die Freundschaft zu den USA sehr schätze. "Ich weiß, was Amerika für die Geschichte eines freien und demokratischen Deutschlands getan hat." Biden nannte Merkel eine gute Freundin. Kurz vor ihrem Eintreffen hatte er die Partnerschaft mit Deutschland bereits als "eisern" gewürdigt. Man sei entschlossen, in den kommenden Jahren gemeinsame Herausforderungen gemeinsam zu bewältigen, schrieb Biden auf Twitter.
Merkel wurde vor dem Treffen mit Biden von der Johns-Hopkins-Universität mit der Ehrendoktorwürde ausgezeichnet. In ihrer Dankesrede forderte sie, die Vereinten Nationen handlungsfähiger zu machen. "Denn unverändert bieten sie die beste Chance, um globale Antworten auf globale Fragen zu finden." Merkel betonte: "Das Gebot in unserer vielfach vernetzten, aber auch so verletzlichen Welt ist es, unsere Kräfte zu bündeln. Wie wichtig das ist, das zeigt besonders deutlich die Coronavirus-Pandemie." Allen sollte klar sein, dass diese nur gemeinsam zu überwinden sei.
Biden kündigte an, sich voraussichtlich in den kommenden Tagen zu den coronabedingten Einreisebeschränkungen für Menschen aus Deutschland und anderen europäischen Schengen-Staaten zu äußern. Merkel habe das Thema zu Sprache gebracht. Derzeit werde darüber beraten, wie die Reisebeschränkungen bald aufgehoben werden könnten. Er werde die Frage in den kommenden Tagen beantworten können, so Biden. "Ich warte darauf, von unseren Leuten in unserem Covid-Team zu hören, wann das geschehen soll."
Die Bundeskanzlerin traf sich zum Auftakt ihrer politischen Gespräche zunächst zu einem Frühstück mit US-Vizepräsidentin Kamala Harris an deren Amtssitz. Diese erklärte später, man habe das gemeinsame Interesse an einer Stärkung der transatlantischen Partnerschaft zum Ausdruck gebracht, außerdem an einer Fortsetzung der engen Zusammenarbeit auf Feldern wie dem Kampf gegen die Pandemie, globaler Gesundheit und dem Umweltschutz.
Am Abend (Ortszeit) wollten der US-Präsident und First Lady Jill Biden ein Abendessen zu Ehren der Kanzlerin geben. Daran sollte auch Merkels Ehemann Joachim Sauer teilnehmen. Anschließend wollten Merkel und ihre Delegation nach Deutschland zurückfliegen.
Biden-Vorgänger Trump hatte Deutschland mehr als Konkurrenten und weniger als Verbündeten gesehen. Der Republikaner hatte immer wieder die deutschen Verteidigungsausgaben, den deutschen Handelsüberschuss und auch Nord Stream 2 scharf kritisiert./sk/DP/zb