DÜSSELDORF (dpa-AFX) - Die Lage in den Überschwemmungsgebieten in Nordrhein-Westfalen ist am Freitag angespannt geblieben. Dramatische Berichte kamen aus Erftstadt: In Erftstadt-Blessem sei eine Reihe von Häusern ganz oder teilweise eingestürzt, teilte die Bezirksregierung Köln am Freitagmorgen mit. Ursache seien massive und schnell fortschreitende Unterspülungen der Häuser.
Aus den Häusern kämen immer wieder Notrufe. Menschen könnten derzeit nur mit Booten vom Wasser aus gerettet werden. Dazu erschwere ein Gasaustritt die Rettungsarbeiten. Mehrere Pflegeheime würden geräumt. Die Feuerwehr hatte am Donnerstagabend im Kreis Heinsberg drei schwer verletzte Menschen aus dem Fluss Wurm retten können, die dort zu ertrinken drohten.
Das NRW-Innenministerium sprach am späten Donnerstagabend von mindestens 30 Toten. Der Landrat von Euskirchen, Markus Ramers (SPD), sagte, er rechne mit weiteren Toten, die entdeckt würden, wenn das Wasser abgeflossen sei.
Nach Angaben des Bundesamtes für Bevölkerung und Katastrophenschutz (BBK) in Bonn sind in Nordrhein-Westfalen 23 Städte und Landkreise von Überschwemmungen betroffen. Das Landeskabinett wollte am Vormittag zu einer Sondersitzung zusammenkommen, um über die katastrophale Lage zu beraten. Bundeskanzlerin Angela Merkel versprach den Betroffenen Hilfen. Sie sprach in Washington von einer "Tragödie".
Gegen Mitternacht hatte die Rurtalsperre begonnen, infolge der immensen Regenmengen überzulaufen. Der Wasserverband Eifel-Rur sprach aber von einer "geringen Dynamik". Die Zuflüsse zu den Talsperren hätten sich zuvor "erfreulich reduziert".
Im Nachgang waren Überschwemmungen im Unterlauf der Rur erwartet worden. Der Kreis Düren hatte bereits vor der Gefahr von Überflutungen in den Städten Heimbach, Nideggen und der Gemeinde Kreuzau gewarnt. Der Wasserverband warnte, Menschen sollten sich nicht in Flussnähe aufhalten, da die Gefahr bestehe, mitgerissen zu werden.
Die Bundeswehr hat zur Unterstützung inzwischen etwa 900 Soldaten in die Katastrophengebiete in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz geschickt.
Im heftig betroffenen Kreis Euskirchen in NRW soll ein Gutachter am Freitag erneut die Steinbachtalsperre unter die Lupe nehmen. Der Wasserstand war am Donnerstagabend durch Abpumpen gesunken. Die Talsperre, deren Damm tiefe Furchen aufweist, war von einem Sachverständigen am Vortag als "sehr instabil" eingestuft worden. Deswegen wurden aus Sicherheitsgründen mehrere Ortschaften evakuiert. Betroffen waren rund 4500 Einwohner.
Landesweit werden die Rettungs- und Aufräumarbeiten fortgesetzt. In den Städten Schleiden und Bad Münstereifel stießen die Einsatzkräfte auf einsturzgefährdete oder bereits zerstörte Häuser. In Weilerswist wurden Feuerwehrleute von den Wassermassen eingeschlossen. Sie konnten sich nach Angaben des Kreises selbst befreien.
Nach Angaben des Deutschen Wetterdienstes waren im Süden von NRW bis zu 180 Liter Regen pro Quadratmeter gefallen. Viele Flüsse und Bäche in der Eifel, im Bergischen Land, im Rheinland und Sauerland waren am Mittwoch und in der Nacht zu Donnerstag über die Ufer getreten. Mehr als 15 000 Feuerwehrleute und Katastrophenhelfer absolvierten bis Donnerstag landesweit über 22 000 Einsätze.
Rund 165 000 Menschen im Westen Deutschland waren nach Angaben des Energieversorgers Eon aufgrund des Unwetters am Donnerstagnachmittag ohne Strom. Besonders betroffen seien die Eifel, der linksrheinische Rhein-Sieg-Kreis, der Rheinisch-Bergische Kreis und Teile des Bergischen Landes, teilte das Unternehmen in Essen mit./fc/DP/jha