WISMAR (dpa-AFX) - "Wir leben noch." So lautet nach eineinhalb Jahren der Corona-Pandemie die gute Nachricht vom Chef der MV-Werften-Gruppe, Peter Fetten. Beim bloßen Leben solle es nicht bleiben, es bestehe die Chance auf eine positive Entwicklung. Denn die beginnende Erholung des internationalen Kreuzfahrtmarkts lässt auch bei der MV-Werften-Gruppe die Hoffnung auf Erholung wachsen. "Der asiatische Markt braucht Schiffe", sagt Fetten.
Derzeit konzentriere sich das Unternehmen auf die Fertigstellung der "Global Dream". Die Auslieferung des 342 Meter langen und 20 Decks hohen Schiffs ist für Mitte 2022 geplant. Das Schiff, dessen Baupreis zunächst mit mehr als 1,5 Milliarden Euro angegeben worden war, ist für den asiatischen Markt bestimmt und bietet mehr als 5000 Passagieren Platz.
Im Wismarer Dock sind täglich im Schnitt rund 1000 Arbeiter, auch von Fremdfirmen, mit dem Bau beschäftigt. An den Standorten in Warnemünde und Stralsund ruht dagegen die Arbeit. Von den ehemals insgesamt rund 3100 Beschäftigten würden 660 darauf vorbereitet, von einer Transfergesellschaft übernommen zu werden. Die meisten anderen sind in Kurzarbeit, sagt Finanzchef Carsten Haake.
Bei der Übernahme der früheren Nordic-Yards-Gruppe 2016 durch den Tourismuskonzern Genting Hongkong hatte noch alles prächtig ausgesehen. Der Kreuzfahrtmarkt boomte, Genting brauchte Schiffe von Milliardenwerten und investierte rund 350 Millionen Euro alleine in Maschinen und Anlagen der drei Werften im Nordosten. Beim damit größten Industriearbeitgeber in Mecklenburg-Vorpommern wurden rund 1400 Mitarbeiter neu eingestellt - mit voller Tarifbindung.
"Wir haben es in MV selten erlebt, dass Tarifverträge voll zur Geltung kommen", bestätigt der Bezirksleiter der IG Metall Küste, Daniel Friedrich. Bis Corona kam, habe der Gesellschafter alles eingehalten, was er zugesagt hatte. Jetzt gelte es, Folgeaufträge zu sichern - es müssten Nägel mit Köpfen gemacht werden.
Im März 2020 begann die Krise. Die Kreuzfahrtbranche war ins Trudeln geraten, als Schiffe mit Corona-Infizierten nicht mehr in Häfen einlaufen durften. Auf den MV-Werften mussten binnen Stunden alle Mitarbeiter und alle Zulieferer weggeschickt werden. "Es tut einem in der Seele weh, die Leute, die mit Stolz zurückgekehrt sind, jetzt über eine Transfergesellschaft wieder auszusteuern", sagt Haake.
Dass es die Werften-Gruppe in ihrer heutigen Form noch gibt, ist den rund 500 Millionen Euro an Kredit zu verdanken, die über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds geflossen sind. Da waren zunächst 193 Millionen Euro - "die kleine Brücke" - für die Fertigstellung des in Stralsund gebauten Expeditionskreuzfahrtschiffs "Crystal Endeavor", die mit der Auslieferung des Schiffs komplett nebst Zinsen zurückgeflossen sind, wie Haake sagt. Auch die "große Brücke" von 300 Millionen Euro Anfang Juni werde mit der Auslieferung der "Global Dream" vollständig zurückgezahlt. "Diese Sicherheit ist auch die Triebfeder für das Land, uns weiter zu unterstützen", betont Fetten.
Der Hauptgeschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik, Reinhard Lüken, teilt den Optimismus von MV Werften. "Der Kreuzfahrtmarkt wird wieder anspringen." Ob allerdings der Trend hin zu immer größeren Schiffen anhält, bleibe abzuwarten. Letztlich wäre für die Branche aber auch nicht schlecht, wenn er nicht anhielte, denn dann müssten mehr Schiffe gebaut werden. Das Problem für die weltweite Branche sei der Verdienstausfall von rund 30 Milliarden Euro in der Corona-Krise, was letztlich zu weniger Neubestellungen führe.
Für Fetten ist das Schwesterschiff der "Global Dream", die "Global 2", Teil der Marktstrategie von Genting und damit die Lebensader von MV Werften. "Genting hat in die "Global 2" schon mehrere 100 Millionen Euro investiert, das Dock in Warnemünde ist gut gefüllt." Nun gelte es, die Geldgeber von dem Projekt zu überzeugen: "Der Gesellschafter will, wir wollen sowieso, jetzt brauchen wir jemanden, der das Geld zur Verfügung stellt." Entscheidungen würden voraussichtlich noch vor der Bundestagswahl getroffen werden./mgl/DP/eas