(Neu: Merkel, neuer Einstieg, Bericht DWD)
OFFENBACH/BERLIN (dpa-AFX) - Nach der Flutkatastrophe sind die Aufräum- und Rettungsmaßnahmen noch im vollen Gange - da blicken die Menschen in den betroffenen westdeutschen Gebieten bereits wieder mit Sorge auf die Wetteraussichten für das Wochenende. Es könne erneut Starkregen geben, sagte eine Meteorologin des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Donnerstag - wo genau, sei derzeit aber noch nicht genau vorherzusagen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte die Bevölkerung derweil auf eine gemeinsame Kraftanstrengung zur Bewältigung der Unwetterkatastrophe ein. In Düsseldorf wollte das nordrhein-westfälische Kabinett am Donnerstag unter anderem über Soforthilfen beraten.
Merkel sagte am Donnerstag in Berlin: "Wir werden zur Behebung all dieser Schäden einen langen Atem brauchen." Es gebe schreckliche Verwüstungen durch das Hochwasser, Deutschland trauere um 170 Tote. Ziel sei eine gemeinsame Finanzierung der Flutschäden, sagte die Kanzlerin. Die Bundesregierung habe einen Betrag von 200 Millionen Euro für Soforthilfe zur Verfügung gestellt. In den nächsten Tagen und Wochen werde mit den Ministerpräsidenten der Bundesländer darüber gesprochen, wie ein gemeinsamer Aufbaufonds organisieren werde.
Schauerartiger Regen und Gewitter werden nach Angaben des DWD am Wochenende in Rheinland-Pfalz und auch im Saarland erwartet. Nach einigen Tagen Sonnenschein drohen auch in Nordrhein-Westfalen am Wochenende wieder Schauer und Gewitter mit Starkregen. "Es kann theoretisch und punktuell in den Unwetterbereich gehen", hieß es vom DWD.
Die Bewölkung in Rheinland-Pfalz ziehe am Samstag auf, so die Meteorologin. Am Mittag gebe es zunächst im Westen schauerartigen Regen, am Nachmittag sei dann das ganze Gebiet betroffen. Auch am Sonntag können sich im Laufe des Tages örtlich Gewitter bilden. Am Freitag scheine in NRW zunächst noch die Sonne, vor allem im Südwesten. Am Samstag soll laut DWD von Südwesten dann Bewölkung aufziehen. Zunächst regne es in der Eifel, im Laufe des Nachmittags breiteten sich die Niederschläge aus. An beiden Tagen müsse man mit Gewittern rechnen, berichtete die Meteorologin.
Der DWD sprach am Donnerstag mit Blick auf die Katastrophe von einem "Jahrhundertereignis". In einer klimatologischen Einordnung hieß es, an einer ungewöhnlich großen Zahl von Stationen im Westen seien bisherige Rekorde weit übertroffen wurden. Innerhalb weniger Stunden oder Tage sei im Mittel über ganze Flusseinzugsgebiete das 1,5 bis zweifache des mittleren Niederschlages im Juli bezogen auf die Referenzperiode 1991-2020 erreicht worden. Grund zur Entwarnung gebe es nicht. Denn die meisten und intensivsten Starkniederschläge treten den Angaben zufolge in Deutschland in der Regel zwischen Mai und September auf. "Es ist also davon auszugehen, dass noch weitere Ereignisse in 2021 hinzukommen werden", hieß es vom DWD.
Vorige Woche hatte ein Unwetter mit Starkregen eine verheerende Flut in Rheinland-Pfalz und NRW ausgelöst. Die Opferzahlen stiegen auch am Donnerstag weiter. Bei der Hochwasserkatastrophe kamen mindestens 175 Menschen ums Leben - in Rheinland-Pfalz nach bisherigen Erkenntnissen 128, in NRW 47. Mehr als 150 Menschen werden noch vermisst. Teile der Region Ahrweiler haben noch immer weder Wasser noch Strom. Nach der Sturzflut an der Ahr in Rheinland-Pfalz retteten Einsatzkräfte dort bislang etwa 330 Menschen mit insgesamt 36 Hubschraubern von Dächern und Bäumen, sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) in Mainz. Er zeigte sich besorgt, dass der für das Wochenende angekündigte Regen die Lage zusätzlich erschweren könne.
Zurzeit seien im Kreis Ahrweiler 3500 Kräfte des Katastrophenschutzes, 1050 Polizisten und 853 Soldaten im Einsatz. Die Rettungs- und Evakuierungsmaßnahmen dauerten noch an. Die Schäden sind immens. In dem Landkreis wurden nach Angaben von Lewentz unter anderem 62 Brücken zerstört, 19 Kindertagesstätten sowie 14 von 60 Schulen stark beschädigt oder zerstört. Das finanzielle Ausmaß der Hochwasserkatastrophe ist nach den Worten der Mainzer Finanzministerin Doris Ahnen (SPD) noch unklar.
Die Präsidentin des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) wollte sich am Donnerstag vor Ort ein Bild von der Lage in Rheinland-Pfalz machen: Gerda Hasselfeldt wird in Bad Neuenahr-Ahrweiler eine ambulante Arztpraxis des DRK besuchen. Sie will zudem ein erstes Fazit des bisherigen Einsatzes ziehen.
Im nordrhein-westfälischen Kabinett sollte über die Folgen der Unwetterkatastrophe und Soforthilfen gesprochen werden. Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hatte bereits angekündigt, dass NRW 200 Millionen Euro Soforthilfe für die Opfer bereitstellen werde und eine schnelle Abwicklung der Auszahlungen zugesagt. Weitere Hilfen kommen vom Bund.
Die Bundeswehr will die Schäden genauer aus der Luft erkunden. Nachdem am Vortag eine Tornado-Aufklärungsmaschine über der Eifel unterwegs war, sollte am Donnerstag das für Rüstungskontrollflüge vorgesehene Überwachungsflugzeug A319OH ("offener Himmel") über dem Katastrophengebiet fliegen, wie ein Sprecher der Luftwaffe sagte.
Der Präsident der Bundesvereinigung des Technischen Hilfswerkes, Marian Wendt, sprach sich für mehr zentrale Steuerung im Krisenfall aus. "Der Einsatzleiter vor Ort hat mitunter gar keinen Überblick darüber, welche Kräfte zur Verfügung stehen", sagte der CDU-Politiker der "Bild"-Zeitung (Donnerstag). "Wir brauchen eine Lagekoordinierung auf Bundes- und Landesebene bei Katastrophenfällen." Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) plädierte, Planungsverfahren für Hochwasserschutz-Maßnahmen in Deutschland zu beschleunigen.
Im Katastrophengebiet Erftstadt-Blessem in Nordrhein-Westfalen dürfen einige Anwohner voraussichtlich schon von Donnerstag an dauerhaft in ihre Häuser zurück. Voraussetzung sei, dass die Standsicherheit der Gebäude gewährleistet ist, teilte Landrat Frank Rock mit./lif/DP/mis