FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Deutsche Börse hat im zweiten Quartal von den jüngsten Übernahmen profitiert. Die Nettoerlöse legten in den drei Monaten April bis Juni im Vergleich zum Vorjahr um 13 Prozent auf 882 Millionen Euro zu, wie der im Dax notierte Konzern am Dienstagabend in Frankfurt nachbörslich mitteilte. Der Anstieg geht vor allem auf das unter anderem durch Übernahmen kräftig ausgebaute Geschäft außerhalb der volatilen Aktienmärkte zurück. Damit konnten die Rückgänge im Geschäft mit der Absicherung von Risiken, Aktien und der Aufbewahrung von Wertpapieren ausgeglichen werden. Für die Aktie der Deutsche Börse ging es im frühen Handel am Mittwoch indes abwärts.
Das Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) kletterte im zweiten Quartal um 18 Prozent auf 518 Millionen Euro nach oben. Unter dem Strich betrug der Gewinn 311 (Vorjahr: 257) Millionen Euro. Mit dem Ergebnis schnitt der Konzern etwas besser ab, als Experten es erwartet hatten - allerdings war das zum Teil auf Einmaleffekte zurückzuführen. "Gerade in einem zyklisch herausfordernden Marktumfeld wie im zweiten Quartal 2021 wird die Bedeutung von M&A-Wachstum deutlich", sagte Finanzvorstand Gregor Pottmeyer laut Mitteilung. "Auch unsere Minderheitsbeteiligungen gewinnen zunehmend an Relevanz für unser Unternehmen."
Die Prognosen für das laufende Jahr und die Ziele für 2023 bestätigte die Deutsche Börse: So sollen die Nettoerlöse 2021 um rund 10 Prozent auf 3,5 Milliarden Euro steigen. Beim operativen Gewinn wird ein Wert von rund 2 (2020: 1,9) Milliarden Euro angepeilt. Bis 2023 will Konzernchef Theodor Weimer, der die Geschicke des Börsenbetreibers seit Anfang 2018 lenkt, die Erlöse auf rund 4,3 Milliarden Euro steigern.
Für das operative Ergebnis nannte er bei der Vorstellung der mittelfristigen Ziele im vergangenen Herbst keinen absoluten Wert. Doch ausgehend vom 2020er-Referenzwert, dem angepeilten Plus von zehn Prozent pro Jahr und der Aussage, dass die Marge stabil bleiben soll, ergäbe dies 2023 rechnerisch ein operatives Ergebnis von rund 2,5 Milliarden Euro. Erreicht werden soll das auch durch Zukäufe. Allerdings setzt Weimar dabei eher auf kleinere und mittlere Akquisitionen und nicht auf den großen Deal.
Mit den Zukäufen will sich der Börsenbetreiber aber auf jeden Fall breiter aufstellen, um sich unabhängiger von den Schwankungen an den Aktien- und Derivatemärkten und der Entwicklung der Geldpolitik und den niedrigen Zinsen zu machen. So sind vor allem durch das Niedrigzinsumfeld die Erträge und der Gewinn in der Sparte Clearstream unter Druck, die ihr Geld mit der Abwicklung von Transaktionen und der Aufbewahrung von Wertpapieren verdient.
Im zweiten Quartal ging der Plan Weimers auf. So konnten die sinkenden Erlöse bei den beiden größten Sparten, der Derivatebörse Eurex und Clearstream, durch Zuwächse in den durch Zukäufe gestärkten Bereichen zulegen. So wuchsen etwa das Geschäft mit dem Fondsvertrieb oder dem Währungshandel. Und der erst vor Kurzem übernommene Stimmrechtsberater ISS steuerte knapp 60 Millionen Euro an Erlösen und rund 14 Millionen Euro zum operativen Gewinn bei. ISS wird nunmehr als eigene Einheit geführt.
Am Aktienmarkt wurden die Zahlen zur Wochenmitte verhalten aufgenommen. Die zuletzt ohnehin schwach gelaufenen Deutsche-Börse-Anteile weiteten nach einem bereits mauen Start in den Tag ihre Verluste kräftig aus. Mit einem Abschlag von zuletzt fast vier Prozent waren die Papiere im frühen Handel der schwächste Wert im Dax.
Auf die Zahlen zum zweiten Quartal reagierten die meisten Experten bisher mit ähnlichem Tenor: Erlöse und operatives Ergebnis seien zwar etwas besser als erwartet ausgefallen, dies sei aber zum Teil auf Einmaleffekte zurückzuführen. Jefferies und JPMorgan bestätigten aber zunächst ihre positive Einstufung der Aktie und die Kursziele von 167 Euro beziehungsweise 170 Euro.
Zurückhaltender ist Berenberg-Analyst Peter Richardson, der das Papier mit "Hold" und einem Kursziel von 150 Euro einstuft. Er hält die Marktkapitalisierung der Deutschen Börse von derzeit 27 Milliarden Euro für angemessen, auch wenn sie im Vergleich zur internationalen Konkurrenz mit einem Abschlag von 15 Prozent bewertet werde.
Der Abstand zum Wettbewerb kommt wohl auch deshalb zustande, weil am Finanzmarkt derzeit nicht alle Investoren mit der Strategie Weimers zufrieden sind, vor allem auf kleinere und mittlere Zukäufe zu setzen. Einige hoffen auf einen großen Deal wie ihn zum Beispiel die London Stock Exchange (LSE) mit dem 27 Milliarden Dollar teuren Kauf des Finanzdatenanbieters Refinitiv wagte. Aus diesem Grund hinkt der Kurs der Deutschen-Börse-Aktie seit einiger Zeit dem Markt und den Anteilen der Londoner Börse hinterher. Nachdem sich das Papier zu Beginn der Amtszeit von Weimer dynamisch nach oben entwickelt hatte, fehlten zuletzt neue Impulse.
Die von Weimer in Aussicht gestellten mittelfristigen Ziele wurden von den Analysten zwar überwiegend gelobt, für einen weiteren Börsenturbo reichte das aber nicht. Aktuell liegt das Papier in etwa auf dem Niveau von Anfang 2020, während der Dax seitdem um fast ein Fünftel zulegen konnte. Vom Rekordhoch bei etwas mehr als 170 Euro vor einem Jahr ist die Aktie inzwischen rund ein Fünftel entfernt./zb/ngu/he/tav/mis