
WIEN (dpa-AFX) - Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Österreich bekommt nach 15 Jahren einen neuen Chef. Roland Weißmann wurde am Dienstag zum neuen Generaldirektor des ORF und somit zu einem der wichtigsten Medienmanager des Landes gewählt, wie ein Sprecher des Senders bekanntgab. Weißmann soll sein Amt zum Jahresbeginn 2022 antreten.
Bei der Abstimmung im ORF-Aufsichtsgremium konnte der bisherige Vizefinanzchef des Unternehmens vor allem auf die Unterstützung derjenigen Stiftungsräte zählen, die der konservativen ÖVP und den mitregierenden Grünen nahestehen. Weißmann folgt auf Alexander Wrabetz, der das Medienunternehmen mit rund 3000 Mitarbeitern seit 2007 leitet und sich um eine weitere fünfjährige Amtszeit beworben hatte.
Der ORF ist ein Schwergewicht in Österreichs Medienlandschaft: Die Fernsehsparte hat einen Marktanteil von 36 Prozent, die zwölf landesweiten und regionalen Radioprogramme kommen auf 74 Prozent.
Die Politik beeinflusst die Wahl des ORF-Generaldirektors. Die 35 Stiftungsräte sind zwar formell unabhängig, doch 24 von ihnen werden von der Regierung, den Bundesländern und den Parlamentsparteien entsandt. Das Gremium ist in informelle politische Fraktionen gegliedert. Weißmanns Bestellung galt dank seiner Nähe zur ÖVP schon seit Tagen als so gut wie ausgemacht.
Kurz vor der ORF-Wahl wurde bekannt, dass Weißmann an Konferenzen mit den ÖVP-nahen Stiftungsräten sowie mit dem Medienbeauftragten des konservativen Bundeskanzlers Sebastian Kurz teilgenommen hatte. Am Dienstag sagte Weißmann, dass es dabei unter anderem um Forderungen des ORF nach gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine stärkere Online-Präsenz gegangen sei und nicht um Parteipolitik. "Mit mir wird es nie und hat es nie Absprachen gegeben", sagte er.
Die Opposition kritisierte die Bestellung des neuen ORF-Chefs. "Herr Weißmann, es liegt in ihrer Hand, sich vom Propaganda-Apparat im Kanzleramt zu lösen, der türkisen Message Control abzuschwören und einen unabhängigen, starken und demokratischen ORF zu garantieren", forderte der Geschäftsführer der Sozialdemokraten, Christian Deutsch. Türkis ist die Parteifarbe der ÖVP.
Weißmann will den ORF digitaler, jünger und gesellschaftlich vielfältiger machen. Das Online-Angebot für junge Zielgruppen soll ausgebaut werden. Er will zudem Kooperationen mit privaten österreichischen Medien und mit europäischen Sendern wie ARD und ZDF vorantreiben.
Der designierte neue ORF-Chef stieg Mitte der 1990er Jahre in dem Unternehmen ein und wurde schon bald mit leitenden Redaktionsposten betraut. Seit 2012 ist Weißmann Chefproducer der Fernsehsparte, seit 2017 auch stellvertretender Finanzchef./al/DP/men