BERLIN/FRANKFURT (dpa-AFX) - Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Bahn gönnt die Gewerkschaft der Lokomotivführer (GDL) den Kunden eine Atempause. Bei seiner vorläufigen Bilanz der am Freitag beendeten Streikwelle verzichtete GDL-Chef Claus Weselsky darauf, einen konkreten Termin für einen zweiten Arbeitskampf zu nennen. Der Gewerkschafter kündigte stattdessen eine Protest-Kundgebung gemeinsam mit dem Deutschen Beamtenbund am kommenden Dienstag (17. August) vor dem Bahn-Tower am Potsdamer Platz in Berlin an. Danach werde es nur noch "sehr kurze Zeit" bis zu einem erneuten Streik dauern.
Die erste Streikwelle sei hervorragend gelaufen, sagte Weselsky. Es sei nicht einfach gewesen, die entschlossenen Kollegen davon zu überzeugen, nach 48 Stunden Streik zunächst wieder aufzuhören. Er wandte sich gegen Vorwürfe, die GDL streike für politische Ziele im Machtkampf mit der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG). Insbesondere die Folgen des Tarifeinheitsgesetzes würden vor den Arbeitsgerichten geklärt. "Am Ende wird jeder sehen, wer die Mehrheit im Betrieb hat."
Die Bahn versuche vergeblich, den erfolgreichen Streik kleinzureden, meinte Weselsky. Der Ausstand hatte im Güterverkehr bereits am Dienstag begonnen, während der Personenverkehr von Mittwoch bis Freitag früh für 48 Stunden bestreikt wurde. Laut Bahn haben sich nur rund 5400 der insgesamt 19 700 Lokführer beteiligt. Weselsky führte an, dass rund zwei Drittel gar nicht hätten streiken können, weil sie entweder Ruhezeiten einzuhalten hatten oder im Urlaub waren. Er verlangte erneut ein verbessertes Angebot.
"Die GDL hat ihr eigentliches Arbeitskampfziel nicht erreicht", sagte Bahnsprecher Achim Stauß. Er wies auch daraufhin, dass in den ebenfalls aufgerufenen Wartungs- und Fahrdienstabteilungen bundesweit lediglich 120 Menschen gestreikt hätten. Bei den Zugbegleitern hätten sich rund 1800 von 12 000 Mitarbeitenden am Streik beteiligt.
Nach Einschätzung der Deutschen Bahn hat der Streik mehrere Millionen Menschen betroffen. Vor allem Pendler und Urlauber mussten auf andere Reisemöglichkeiten ausweichen. An normalen Tagen nutzen täglich rund 4,6 Millionen Fahrgäste die Züge des Nah- und Fernverkehrs, wie das Unternehmen in Berlin mitteilte.
Mit dem Ersatzfahrplan habe man ein zwar stark reduziertes, aber stabiles und verlässliches Angebot gemacht. In den Regio-Netzen waren demnach an den beiden Streiktagen Mittwoch und Donnerstag jeweils rund 40 Prozent der Züge unterwegs. Im Fernverkehr wurde das Angebot nach rund 25 Prozent vom Mittwoch am Folgetag noch etwas gesteigert. Im Güterverkehr habe die Bahn versorgungsrelevante Züge gefahren, sagte Konzernsprecher Stauß. Über die Tage seien aber rund 300 Züge stehengeblieben. "Diesen Stau bauen wir jetzt nach und nach ab." Zur Schadenshöhe wie auch zu einem möglichen neuen Tarifangebot an die GDL machte er keine Angaben.
Am Freitagmorgen fuhren die Züge in Deutschland zum größten Teil wieder im üblichen Umfang. Der Verkehr sei weitgehend normal gestartet, sagte ein Bahnsprecher. Allerdings könne es vereinzelt noch zu Einschränkungen kommen. "Wir bitten unsere Fahrgäste, sich vor Fahrtantritt in den digitalen Auskunftsmedien der Deutschen Bahn zu informieren", sagte er.
Auch aus den Regionen wurde am Morgen berichtet, dass der Zugverkehr sich normalisiert hat. Im Osten der Republik, der besonders stark von dem Streik betroffen war, seien keinen Ausfälle mehr zu erwarten, sagte ein Bahnsprecher. "Im Großen und Ganzen sieht das sehr gut aus." In Hamburg waren die S-Bahnen wieder planmäßig unterwegs. Bei der Berliner S-Bahn sei der Betrieb sehr gut angelaufen, hieß es. Lediglich auf zwei Linien komme es noch vereinzelt zu Einschränkungen.
Deutsche Bahn und GDL ringen in der Tarifrunde um eine Lohnerhöhung von 3,2 Prozent. Strittig ist jedoch, wann die Erhöhung greifen und wie lang der neue Tarifvertrag gelten soll. Auch Betriebsrenten sind ein Streitthema. Die Bahn will die Kosten des Tarifabschlusses gering halten, weil sie in der Corona-Krise hohe Verluste eingefahren hat. Zudem hat der Bund als Eigentümer im Gegenzug für Milliardenhilfen auch Einsparungen im Konzern verlangt.
Mit der größeren Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft gibt es seit knapp einem Jahr einen Tarifabschluss. Anfang 2022 erhalten die Beschäftigten 1,5 Prozent mehr Geld. Betriebsbedingte Kündigungen sind ausgeschlossen. Die EVG kann aber im Fall eines höheren GDL-Abschlusses nachverhandeln./ceb/ah/DP/jha