LEVERKUSEN/WASHINGTON (dpa-AFX) - Bayer setzt im milliardenteuren Glyphosat-Rechtsstreit in den USA auf eine höchstrichterliche Entscheidung, um eine Trendwende herbeizuführen. Der Agrarchemie- und Pharmakonzern hat nach eigenen Angaben vom Montag einen Antrag auf Revision des Falls Hardeman beim höchsten US-Gericht, dem Supreme Court, eingereicht. Sollte dieses den Fall zur Entscheidung annehmen und im Sinne von Bayer urteilen, hätte dies Signalwirkung. Die Deutschen versprechen sich davon, die Streitigkeiten im Grunde beenden zu können.
Anderenfalls will der Konzern ein eigenes Programm aufsetzen, um mit weiteren Klagen rund um angebliche Krebsrisiken glyphosathaltiger Unkrautvernichter umzugehen. Das könnte Bayer teuer zu stehen kommen, der die Sicherheit von Glyphosat immer wieder betont. Firmenchef Werner Baumann hatte den Gang vor den Supreme Court bereits angekündigt. Er rechnet damit, dass die Richter in den kommenden sechs Monaten über die Annahme des Antrags entscheiden werden.
Konkret geht es um den Fall des Klägers Edwin Hardeman, der Glyphosat für seine Krebserkrankung verantwortlich macht und dem insgesamt gut 25 Millionen Dollar Schadenersatz zugesprochen wurden.
In dem Antrag an den Supreme Court argumentiert Bayer mit der sogenannten Federal Preemption. Der Konzern ist demzufolge der Ansicht, Schadenersatzansprüche wegen angeblich fehlerhafter Warnungen vor Krebsrisiken könnten nach einzelstaatlichem Recht nicht bestehen, wenn sie mit Bundesrecht kollidieren. Denn die verantwortliche Bundesbehörde habe eine solche Warnung verboten. Zudem monieren die Leverkusener, dass die Zulassung von Experten als Zeugen der Klägerseite nicht den bundesrechtlichen Standards genügt habe.
Analyst Sebastian Bray von der Privatbank Berenberg sieht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das oberste US-Gericht den Fall zur Verhandlung annimmt. Grundsätzlich geschehe dies nur in einem bis zwei Prozent der Fälle, doch habe dieser Fall durchaus ausreichend Tragweite, hatte der Experte in einer Studie Ende Juli geschrieben. So gebe es immer wieder unterschiedliche Auffassungen unterer Gerichte, wenn es um Konflikte zwischen Bundes- und einzelstaatlichem Recht gehe. Zudem sei der letzte große Fall, in dem es um Pflanzenschutz gegangen sei, 2005 verhandelt worden.
Sollten die Richter den Fall annehmen, sieht Bray recht gute Chancen für den Konzern aus Leverkusen. Dies habe eine Analyse der Entscheidungen der neun Richter in vergleichen Fällen ergeben, so der Analyst.
Für den Fall, dass der Supreme Court sich mit dem Glyphosat-Verfahren nicht befassen will oder gegen Bayer entscheidet, hat der Konzern erst jüngst weitere Rückstellungen von 4,5 Milliarden Dollar gebildet. Mit dem Geld würde der Konzern dann ein Programm aufsetzen, um in den kommenden 15 Jahren mit den Forderungen neuer Kläger umzugehen.
Zuvor hatte Bayer bereits rund als 11 Milliarden Dollar für ein Vergleichspaket zur Beilegung von US-Klagen zurückgestellt. Rund 96 000 Fälle sind bereits endgültig beigelegt.
Der Glyphosat-Streit, den Bayer-Chef Baumann sich mit dem über 60 Milliarden Dollar teuren Kauf des US-Saatgutriesen Monsanto ins Haus geholt hatte, lastet schon seit der erste Prozessniederlage im Sommer 2018 schwer auf dem Kurs der Bayer-Aktie, die seither die Hälfte ihres Wertes verloren hat./mis/stw/he