An den Aktienmärkten wächst die Nervosität. Bald könnte die superlockere Geldpolitik enden. Finanzprofessor Hans-Peter Burghof blickt für uns auf die EZB - und darauf, warum es nach der Wahl ungemütlich werden könnte.
Schaut man zunächst über den großen Teich an die Wall Street, so mehren sich die Stimmen von Bankern und Analysten, die von einer baldigen Straffung der Geldpolitik wie dem Zurückfahren von Anleihekäufen durch die Fed ausgehen. Wall Street-Experte und Finanzjournalist Tim Schäfer schrieb gestern: "Zurzeit sind in der Tat die Börsen zittrig, weil die Fed wohl die lockere Geldpolitik ändern wird."
Wir haben bei Professor Hans-Peter Burghof vom Lehrstuhl für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim in Stuttgart nachgefragt: Inwieweit ist in naher und mittelbarer Zukunft eine Wende der Zinspolitik realistisch? Auf was müssen sich Aktienanleger hier einrichten? Der Experte antwortete umgehend.
Tauben und Falken
Der Professor sieht in Europa eine Art Showdown zwischen geldpolitischen Tauben und Falken, dessen Ausgang schon bald im Herbst den Aktienmarkt stark beeinflussen könnte: "Für die EZB kommt es in diesem Herbst zum Schwur: Folgt sie den guten Prinzipien einer Zentralbank und schützt den Geldwert durch eine Erhöhung der Zinsen, oder handelt sie "politisch' und behält die lockere Geldpolitik bei. Was Frau Lagarde will, ist offenkundig, aber sie dürfte bei der Bundesbank und auch in der EZB selbst auf Widerstand treffen", so Burghof, für den Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), zum Team der geldpolitischen Tauben gehört.
Bundestagswahl
Laut Burghof könnte der Ausgang der Bundestagswahl ebenfalls ein Auslöser dafür sein, in welche Richtung sich die Aktienmärkte letztendlich bewegen: "Auch der nicht prognostizierbare Ausgang der Wahl in Deutschland entscheidet darüber, ob die geldpolitischen Tauben oder Falken gewinnen werden. Eine Prognose, welche Politik die EZB ab diesem Herbst verfolgen wird, ist daher nicht möglich."
Das Fazit des Finanzexperten: "Gewinnen die Tauben, wachsen die Preisblasen weiter an. Aber die Aktienanleger haben zumindest Zeit gewonnen. Setzen sich die Falken mit Zinserhöhungen durch, würde ich mit einer raschen und deutlichen Korrektur der Aktienpreise rechnen. Die neue Preisbasis wäre niedriger, aber eben auch langfristig belastbarer."
Autor: Christoph Morisse, wallstreet:online Zentralredaktion
Kurzvita von Prof. Dr. Hans-Peter Burghof
Der Finanzexperte ist seit 2003 Inhaber des Lehrstuhls für Bankwirtschaft und Finanzdienstleistungen an der Universität Hohenheim in Stuttgart. Als gelernter Bankkaufmann und studierter Volkswirt beschäftigt er sich mit den Geschäftsmodellen der Finanzinstitute, der ökonomischen Funktion der Banken, der Stabilität der Banken- und Finanzmärkte und der Struktur der Bankensysteme. Neben der universitären Lehre und wissenschaftlicher Forschung mit zahlreichen Publikationen steht bei ihm der Transfer des Wissens in die Gesellschaft, dem er als Ansprechpartner der Medien, gesellschaftlichen Gruppen, der Politik oder der Organe der Rechtspflege nachgeht. Darüber hinaus engagiert er sich im Rahmen der Initiative Stuttgart Financial für die Entwicklung des Finanzplatzes Stuttgart.
Enthaltene Werte: DE0008469008,US2605661048,US78378X1072,2455711