BERLIN (dpa-AFX) - Kanzlerkandidat Armin Laschet hat die Union angesichts schlechter Umfragewerte zum Kämpfen in der entscheidenden Phase bis zur Bundestagswahl aufgerufen und die SPD attackiert. "Die Stimmung ist schwierig, wir dürfen uns nur nicht verrückt machen lassen", sagte der CDU-Chef am Samstag in Braunschweig. Die Union habe "alle Chancen". SPD-Kandidat Olaf Scholz warb im niedersächsischen Peine erneut für zentrale Wahlziele wie einen Mindestlohn von 12 Euro und stabile Renten. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock hielt Union, SPD und FDP mangelnden Einsatz für den Klimaschutz vor.
Laschet räumte Probleme im Wahlkampf ein. "Natürlich sind da auch Fehler passiert, aber jetzt geht es um eine Richtungsentscheidung", sagte er bei einem Landesparteitag der Brandenburger CDU in Potsdam. Er wolle Bundeskanzler werden. "Dafür kämpfe ich, dafür gebe ich das Letzte." In Umfragen ist die SPD mit 25 Prozent an der Union vorbeigezogen, die auf 20 bis 22 Prozent kommt. Scholz liegt bei mehreren Erhebungen auch im persönlichen Vergleich klar vor Laschet.
Der CDU-Chef warnte erneut vor einem Bündnis aus SPD, Grünen und Linken. "Manche sagen ja: Jetzt wird die Rote-Socken-Kampagne wieder belebt", sagte Laschet. Darum gehe es aber nicht. Wenn die Linke die Nato und den Verfassungsschutz auflösen wolle, seien es Gründe, "dass diese Leute nicht in einer deutschen Regierung sitzen dürfen". Der CDU-Chef warf Scholz vor, keine klare Haltung hierzu zu haben. "Wird er einen linken Minister ernennen, wenn er Bundeskanzler ist - ja oder nein?", sagte Laschet. "Wir sagen: Mit der Linken werden wir nicht koalieren." Scholz hat dies nicht klar ausgeschlossen, aber betont, dass Regierungspartner sich unter anderem zur Nato bekennen müssten.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte der "Welt am Sonntag": "Bedingung für ein Regierungsbündnis mit der SPD ist, dass Koalitionspartner eine solide Haushaltspolitik mitverfolgen und klar zur Nato und zu einer starken, souveränen EU stehen. Das ist nicht verhandelbar."
Die Linke-Vorsitzende Susanne Hennig-Wellsow sieht Chancen für eine Zusammenarbeit mit SPD und Grünen. "Das Fenster ist so weit geöffnet wie noch nie. Wann, wenn nicht jetzt?", sagte sie der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung". "Ich bin mir nicht sicher, ob Scholz und Baerbock ein Interesse haben, mit der Linken zu regieren", sagte sie. "Ich weiß aber bei beiden, dass der Laden dahinter schon will."
Scholz sagte bei einem Auftritt mit Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) in Peine: "Wir können stabile Renten garantieren." Ziel sei es, Beschäftigung zu erhöhen, indem Kinder aus sozial schwachen Familien bessere Aufstiegschancen erhielten oder Familie und Beruf besser zu vereinbaren seien. Im ersten Jahr als Kanzler wolle er Ausbauziele der erneuerbaren Energien für den Klimaschutz definieren, den Netzausbau voranbringen und entsprechende Gesetze verabschieden. Von der Union angedachte Steuersenkungen für Menschen mit hohen Einkommen nannte Scholz "unsolidarisch und aus der Zeit gefallen".
Scholz und Laschet werden in der kommenden Woche zu Gesprächen von Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron empfangen. Wie die deutsche Botschaft in Paris am Freitag mitteilte, ist das Treffen mit Scholz am Montag geplant, die Begegnung mit Laschet am Mittwoch. Von einem Treffen Macrons mit Baerbock war zunächst nicht die Rede.
Die Grünen-Chefin sagte der "Frankfurter Rundschau", ihre Partei und die Sozialdemokraten stünden sich in sozialen und finanzpolitischen Fragen nahe, aber: "Beim Klimaschutz bremst die SPD." Zugleich warf sie Union und FDP vor, zu wenig gegen eine soziale Spaltung zu tun: "Sie konzentrieren sich vor allem auf Entlastungen für Reiche und haben keine Idee, wie sie die Investitionen, die man für den Modernisierungsschub braucht, stemmen wollen." Baerbock warnte vor einem möglichen Bündnis aus SPD, Union und FDP: "Das würde einen völligen Stillstand für unser Land bedeuten", sagte sie der "Neuen Westfälischen" (Samstag). "Eine weitere Regierung, die konsequenten Klimaschutz verweigert, können wir uns nicht mehr leisten."
Laut einer Umfrage befürwortet eine Mehrheit der Bundesbürger eine Bundesregierung ohne Beteiligung der Union. In einer Erhebung des Civey-Instituts im Auftrag der "Augsburger Allgemeinen" (Samstag) äußerten rund 56 Prozent der Befragten diese Ansicht. Sie antworteten auf die Frage: "Wünschen Sie sich, dass die CDU/CSU nach 16 Jahren Regierungsverantwortung in die Opposition geht?" mit "Ja, auf jeden Fall" oder "Eher ja". Rund 35 Prozent sind für eine Regierung mit der Union. Der Rest (9 Prozent) äußerte sich unentschieden. Für die Umfrage wurden den Angaben zufolge vom 1. bis 3. September Antworten von etwas mehr als 5000 Teilnehmern berücksichtigt.
Wahlumfragen sind generell immer mit Unsicherheiten behaftet. Unter anderem erschweren nachlassende Parteibindungen und immer kurzfristigere Wahlentscheidungen den Meinungsforschungsinstituten die Gewichtung der erhobenen Daten. Grundsätzlich spiegeln Umfragen nur das Meinungsbild zum Zeitpunkt der Befragung wider und sind keine Prognosen auf den Wahlausgang./vr/sto/xma/sam/DP/mis