DJ IW: EZB-Politik nutzte Besitzern von Immobilien und Betriebsvermögen
Von Hans Bentzien
FRANKFURT (Dow Jones)--Die massiven Staatsanleihekäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) in den Jahren 2015 bis 2019 haben nach Erkenntnissen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) unterschiedliche Auswirkungen für verschiedene Anlageklassen gehabt. In einer im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen angefertigten Studie kommen die Ökonomen zu dem Ergebnis, dass Erwerber fremdgenutzter Immobilien oder von Betriebsvermögen (GmbH-Anteile, Aktien) durch die Lockerung der Geldpolitik profitiert haben, ärmere Haushalte mit normalen Bankeinlagen oder Versicherungsverträgen bzw. "späte" Erwerber von Immobilien dagegen negativ betroffen waren.
Die Nebenwirkungen der EZB-Geldpolitik werden in Deutschland laut IW besonders kontrovers diskutiert, was an der vergleichsweise hohen ökonomischen Stabilität des Landes liegt. "Während die Geldpolitik sich am Euroraum als Ganzes ausrichten musste, hatte Deutschland die Rezession aus den Jahren 2008 und 2009 schnell überwunden und war von der Banken- und Staatsschuldenkrise in den Jahren 2011 und 2012 kaum betroffen", heißt es in der Studie. Damit wurde die Geldpolitik für Deutschland lange Zeit als zu expansiv angesehen, was sich zwar kaum in der Dynamik der Verbraucherpreise, dafür aber in der Dynamik der Vermögenspreise, insbesondere der Immobilienpreise, widerspiegelte.
Aufgrund der Auswirkungen der Geldpolitik auf die Vermögenspreise ist es laut IW geboten, auch ihre Auswirkungen auf die Vermögensverteilung genauer zu untersuchen. EZB und Bundesbank als Teil des Eurosystems haben sich mit diesen Fragen bereits auseinandergesetzt und sind zu dem Ergebnis gekommen, dass langfristige Vermögenseffekte nicht ausgeschlossen sind. IW-Koautor Markus Demary sagt dazu: "Die Erhöhung der Ungleichheit ist noch vertretbar, sie muss aber weiter beobachtet werden."
"Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass einige Haushalte von der expansiven Geldpolitik profitieren konnten und andere nicht", schreibt das IW in seiner Studie. Es fasst die Effekte so zusammen: "Eine expansive Geldpolitik während einer Rezession stabilisiert die Einkommen der ärmeren Haushalte, indem die Geldpolitik den Arbeitsmarkt stabilisiert. Dies ist vor allem für jene Länder des Euroraums relevant, deren Arbeitslosigkeit während der globalen Finanzkrise und der Banken- und Staatsschuldenkrise stark angestiegen ist."
Das gilt für Deutschland allerdings nur bedingt, weil hier das Kurzarbeitergeld das wichtigste arbeitsmarktpolitische Instrument ist. "Aus diesem Grund fallen die Nebenwirkungen der expansiven Geldpolitik, vor allem der Rückgang der Zinsen für die Sparer, in Deutschland besonders auf", gibt das IW zu bedenken. In der Analyse zeigt sich, dass der Rückgang der Zinsen vor allem den Vermögensaufbau der unteren Einkommensklassen belastet, da Bankguthaben und Lebensversicherungen in Relation zum Vermögen in diesem Bereich der Vermögensverteilung eine größere Bedeutung haben als bei reicheren Haushalten, die auch Vermögen in riskanteren Vermögensanlagen, wie fremdgenutzten Immobilien oder Betriebsvermögen, halten.
Ein erschwerter Vermögensaufbau dürfte laut IW vor allem die jüngeren Haushalte belasten, sofern die Niedrigzinsphase noch länger anhalten sollte. "Für die älteren Haushalte, die derzeit ihre Altersvorsorge nutzen und weniger Zinseinkommen beziehen können, als es ihnen in der Vorkrisenzeit prognostiziert wurde, ist die jetzige Situation ebenfalls von Nachteil", so das IW.
Von der expansiven Geldpolitik haben laut der Studie vor allem die Haushalte profitiert, die in der Vorkrisenzeit eine Immobilie erworben und finanziert haben und die bei sinkenden Zinsen ihre Kreditkosten senken konnten und gleichzeitig von steigenden Immobilienpreisen profitiert haben. Weniger von niedrigen Zinsen und steigenden Immobilienpreisen können aktuell diejenigen Haushalte profitieren, die Immobilien in den Folgejahren zu hohen Preisen erworben haben und einen großvolumigen Kredit aufnehmen mussten.
Kontakt zum Autor: hans.bentzien@dowjones.com
DJG/hab/sha
(END) Dow Jones Newswires
September 07, 2021 08:22 ET (12:22 GMT)
Copyright (c) 2021 Dow Jones & Company, Inc.