BERLIN (dpa-AFX) - Die Menschen in Deutschland verlangen von der Politik eine schnellere Umsetzung vor digitalpolitischen Projekten. In einer am Donnerstag veröffentlichten repräsentativen Umfrage im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom sprachen sich 99 Prozent für eine Digitalisierung der Schulen aus. 97 Prozent forderten die Bekämpfung der Internetkriminalität. 96 Prozent machten sich für den Schutz der persönlichen Daten stark. Die Digitalisierung der Verwaltung fordern 87 Prozent.
Den im Bundestag vertretenen Parteien trauen die Bürger allerdings nur bedingt zu, diese Herausforderungen kompetent zu bewältigen. Bei der Frage, welche Schulnote die Parteien für ihre Digitalkompetenz verdienen, vergaben die Befragten im Schnitt nur eine Drei minus (3,5). "Unser Berufsleben und unser ganzer Alltag haben sich in den vergangenen vier Jahren stark digitalisiert - aber unser politisches System verharrt in weiten Teilen noch im Analogen", sagte Bitkom-Präsident Achim Berg bei der Vorstellung der Ergebnisse. "Die Digitalisierung bietet die Chance auf ein Update unserer Demokratie, und diese Chance sollten wir ergreifen."
DIe Stiftung Neue Verantwortung erklärte am Donnerstag, die deutsche Digitalpolitik der vergangenen zwei Jahrzehnte sei größtenteils erfolglos gewesen. "Ohne fundierte Programme und klare Richtungsentscheidungen wird keine Partei in der Lage sein, in der nächsten Bundesregierung einen digitalpolitischen Quantensprung zu vollziehen", erklärte Stefan Heumann, Vorstandsmitglied der Stiftung in Berlin. "Es wäre wichtig gewesen, dass die Parteien in ihren Wahlprogrammen konkrete Pläne vorlegen und eindeutige Positionen beziehen, wie sie in der nächsten Bundesregierung den Digitalisierungsrückstand Deutschlands abbauen wollen. Allerdings ist dies kaum geschehen." Bis zum Amtsantritt der nächsten Bundesregierung müsse nachgebessert werden.
Bitkom-Präsident Berg forderte, nach der Bundestagswahl müsse wirklich der Einstieg in eine digitale Dekade gelingen. "Ein Weiter so darf es in der Digitalpolitik nicht mehr geben. Auch unser politisches System braucht eine digitale Transformation."
In der Bitkom-Umfrage äußerten viele Befragten auch den Wunsch, sich online an politischen Entscheidungen beteiligen zu können. 59 Prozent der Personen ab 18 Jahren in Deutschland fordern diese Möglichkeit. Vor der Wahl vor vier Jahren lag der Anteil nur bei 48 Prozent, vor acht Jahren waren es 44 Prozent. Auch für eine Online-Wahl gibt es inzwischen eine Mehrheit: Drei von fünf Befragten (61 Prozent) können sich vorstellen, ihre Stimme bei Kommunal-, Landtags- oder Bundestagswahlen online abzugeben. Knapp die Hälfte (49 Prozent) sieht dabei allerdings auch die Gefahr, dass digitale Abstimmungen einen Wahlbetrug erleichtern könnten.
Gespalten zeigen sich die Befragten bei der Frage der politischen Meinungsbildung: 28 Prozent sind der Meinung, echte Informationen gebe es nur außerhalb der offiziellen Medien im Internet, etwa bei YouTube, in Blogs oder bei Telegram. Aber genauso viele (28 Prozent) geben an, dass sie Informationen im Internet grundsätzlich nicht vertrauen. Und 30 Prozent stimmen der Aussage zu, die deutschen Medien seien in ihrer Berichterstattung nicht frei, sondern würden von der Regierung kontrolliert./chd/DP/men