Sind Big Börsen-Crashs Schnee von gestern? Und: Warum kleinere Crashs wahrscheinlicher seien. Antworten von Thomas Mayer, Gründungsdirektor des Flossbach von Storch Research Institute.
Schnell mal bei einem Top-Kapitalmarkt-Experten wie Thomas Mayer von Flossbach von Storch nachgefragt, ob an Ben Carlsons neuester Crash-Theorie was dran sei, war die Idee des Artikels... Herausgekommen ist ein Interview mit gleich drei pägnanten, wertvollen Antworten von Mayer, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen:
wallstreet:online: Gehören die großen Börsen-Crashes aufgrund von Übertreibungen und Herdentrieben tatsächlich der Vergangenheit an?
Thomas Mayer: Sicherlich nicht. Von außen werden Börsen stark von der Geldpolitik getrieben, die das Zinsumfeld und das Geldangebot bestimmt, von innen werden sie von Narrativen getrieben. Gegenwärtig ist der Haupttreiber der Aktienhausse das von den Zentralbanken erschaffene Umfeld extrem niedriger Zinsen und die von ihnen erzeugte Geldschwemme. Darüber lagern sich Narrative, wie z.B. der Aufstieg der Digitalisierung, wovon vor allem Technologieunternehmen profitieren. Zumindest was Niedrigzinsen und Geldschwemme angeht, kann man sagen, dass dadurch Übertreibungen ausgelöst werden. Dagegen spielen Narrative heute eine geringere Rolle als zum Beispiel im Verlauf der dot.com Blase, in der das Internet als neues Weltwunder gefeiert wurde.
wallstreet:online: Sind "Mini-Crashes" in Teilbereichen wahrscheinlicher - und wenn ja, in welchen Teilbereichen am ehesten?
Thomas Mayer: Mit "Mini-Crashes" verbinde ich kurzfristige Aussetzer in der Marktliquidität, wie die sogenannten "Luftlöcher" beim Fliegen. Diese Aussetzer sind häufiger geworden, weil die Regulierer die Banken durch höhere Kapitalanforderungen gezielt aus dem Eigenhandel gedrängt haben. Dadurch gibt es jetzt weniger "market maker", die früher für den Markt Liquidität bereitgestellt haben, wenn "Aussetzer" drohten. Daher gab es in den letzten Jahren mehr "Aussetzer" in den Renten- und Aktienmärkten, und es wird sie weiter geben, solange die Regulierung so bleibt wie sie ist.
wallstreet:online: Und: Sind Warnungen vor großen Crashes Unfug, so dass Crashpropheten ausgedient haben?
Thomas Mayer: "Crash-Propheten" bedienen ein uraltes menschliches Bedürfnis nach Apokalypsen. Früher wurden diese Apokalypsen religiös begründet, heute bedienen dieses Bedürfnis im großen Stil die Klimaprognostiker. Insofern sind die Börsencrash-Propheten Spartenapokalyptiker. Aber ebenso wie bisher alle Großapokalypsen haben auch die Spartenapokalypsen auf sich warten lassen, ist auch der finale Börsencrash ausgeblieben. Vielleicht kommt es ja noch zum einen oder anderen. Aber die nackte Wahrheit ist: Wir wissen es nicht.
wallstreet:online: Herr Mayer, vielen Dank für das Interview!
Das Interview führte Christoph Morisse, wallstreet:online Zentralredaktion
PS: Thomas Mayer hat zum Thema Prognosen gerade ein Buch* veröffentlicht:
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