FRANKFURT (dpa-AFX) - Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft hat sich im September erneut verschlechtert. Das Ifo-Geschäftsklima, Deutschlands wichtigstes Konjunkturbarometer, fiel gegenüber dem Vormonat um 0,8 Punkte auf 98,8 Zähler, wie das Ifo-Institut am Freitag in München mitteilte. Es ist der dritte Rückgang in Folge, was Experten für gewöhnlich als konjunkturellen Wendepunkt deuten. Das Ifo-Institut verweist auf Probleme bei der Beschaffung von Rohstoffen und Vorprodukten.
Einschätzungen von Ökonomen im Überblick:
Ulrich Kater, Chefvolkswirt Dekabank
"Der Rückgang ist alles andere als dramatisch. Es sind einzig die Lieferengpässe und Knappheiten, die die Unternehmen davon abhalten, mehr zu produzieren. Das spricht für einen hohen Investitionsbedarf in der Zukunft. Außerdem werden die rekordhohen Aufträge abgearbeitet, was den Aufschwung weit in das nächste Jahr verlängert."
Ralph Solveen, Analyst Commerzbank
"Die spürbaren Materialengpässe in der Industrie dürften die Industrie in den kommenden Monaten weiter bremsen. Zudem dürfte die Pandemie im Winter einige Dienstleistungsbereiche wieder stärker beeinträchtigen, auch wenn es keinen allgemeinen Lockdown geben wird. Darum dürfte die Erholung der deutschen Wirtschaft - nach einem noch einmal starken dritten Quartal - im vierten Quartal merklich an Fahrt verlieren."
Thomas Gitzel, Chefvolkswirt VP Bank
"Die Signale könnten eindeutiger nicht sein: Die kräftige wirtschaftliche Erholung nach der Corona-Pandemie verlangsamt sich. Zwar fällt der Rückgang des Ifo-Geschäftsklimaindex nur verhältnismäßig gering aus, doch es zählt der Gesamtmix an Konjunkturnachrichten. Bereits in dieser Woche war der Einkaufsmanagerindex rückläufig gewesen und die Industrieproduktion leidet schon seit längerer Zeit."
Jens-Oliver Niklasch, Analyst Landesbank Baden-Württemberg
"Der Rückgang für den Gesamtindex war in etwa zu erwarten. Das Ergebnis wäre aber besser zu verkraften, wenn nicht gerade der Lageindex vergleichsweise deutlich gesunken wäre. Es dürfte uns damit ein schwieriges viertes Quartal ins Haus stehen, in dem die Lieferkettenthematik Corona als Hauptrisiko sogar ablösen könnte. Und Corona ist ja keineswegs vorbei. Alles in allem also eher unerfreuliche Neuigkeiten aus München."
Christian Lips, Chefvolkswirt NordLB
"Grundsätzlich bleibt das Aufschwungsszenario intakt, der Aufholprozess verzögert sich jedoch durch die Flaschenhälse bei der Industrieproduktion. Daher fällt unsere BIP-Prognose für 2021 mit 2,7 Prozent geringer aus, während für 2022 ein kräftiges Wachstum von mehr als 4 Prozent wahrscheinlich ist. Da Knappheiten sowohl die Konjunktur- als auch die Inflationsrisiken erhöhen, wird die EZB weiter auf Zeit spielen. Zumindest für die Eurozone sind Zinserhöhungen noch in weiter Ferne."
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