DJ MÄRKTE EUROPA/Falkenhafte Lagarde lässt Zinsen und Euro steigen
FRANKFURT (Dow Jones)--Die europäischen Aktienmärkte haben am Donnerstag tiefrot geschlossen. Es war mal wieder der Tag der Notenbanken - zunächst die Bank of England, dann nach einem kurzen Verschnaufen die Europäische Zentralbank. Und beide überraschten die Märkte. Dies sorgte vor allem am Devisen- und Anleihemarkt für Bewegung, der Euro stieg zwischenzeitlich um über 1,5 US-Cent auf über 1,1450 Dollar, die Rendite der Bundesanleihe mit einer Laufzeit von zehn Jahren kletterte um 11 Basispunkte auf 0,15 Prozent auf ein Dreijahreshoch. Risikoreiche Vermögenswerte kamen in der Folge deutlich unter Druck. Der DAX verlor 1,6 Prozent auf 15.368 Punkte, für den Euro-Stoxx-50 ging es um 1,9 Prozent auf 4.141 Zähler nach unten.
Die Bank of England hob zunächst ihre Leitzinsen um 0,25 Prozent auf nun 0,5 Prozent an, was so zunächst erwartet worden war. Doch damit nicht genug, fast hätte es im Rat eine Mehrheit für eine Anhebung um 0,50 Prozent gegeben. Zudem wurde beschlossen, dass die Bilanz nach dem massiven Aufblähen mit dem Kauf von Anleihen während der Corona-Krise nun verschlankt werden soll. Dies war das erste Mal im aktuellen Zyklus, dass eine der großen Zentralbanken eine nachhaltige Schrumpfung ihrer Bilanz in Angriff nimmt.
Falkenhafte Lagarde öffnet Tür für Zinsanhebung 2022
Nachdem EZB-Präsidentin Christine Lagarde im Dezember noch aufkeimenden Spekulationen um eine Zinserhöhung mit dem deutlichen Hinweis begegnet war, dass eine Anhebung des Leitzinses im Jahr 2022 sehr unwahrscheinlich sei, vermied es die oberste europäische Währungshüterin nun, sich erneut so stark festzulegen. Stattdessen betonte sie die Datenabhängigkeit und wies auf das EZB-Treffen im März hin, wenn neue Projektionen anstehen. Zwischenzeitlich sind die Inflationsrisiken deutlich gestiegen. Dies interpretierte Ulrike Kastens, Volkswirtin Europa der DWS, als Indikation dafür, dass nun auch für die Eurozone angesichts anhaltend hoher Inflationsraten die Diskussion über einen schnelleren Ausstieg aus der ultra-expansiven Geldpolitik an Fahrt gewinne. Eine erste Zinserhöhung noch in diesem Jahr scheine damit ein durchaus realistisches Szenario.
Für Otmar Lang, Chefvolkswirt der Targobank, hat die EZB auf ihrer Sitzung indirekt eingeräumt, die Inflationsrisiken unterschätzt zu haben. Deshalb müsse die EZB-Chefin ihre bisherige geldpolitische Strategie aufgeben. Ab sofort sei eine Zinserhöhung in diesem Jahr nicht mehr ausgeschlossen. Wann diese komme, sei allerdings noch offen. Die EZB wolle "flexibel reagieren". Diese Wendung sei ein Schritt in die richtige Richtung. Es bestehe zwar nicht die Notwendigkeit, bereits im Frühjahr die Zinsen anzuheben. Schließlich zeichne sich in Europa bisher noch keine Lohn-Preis-Spirale ab. Aber mit Lagardes Bereitschaft, wachsam zu sein und flexibel zu handeln, habe sich das Fenster für eine Straffung der Geldpolitik weit geöffnet.
An der Börse wurde nicht ausgeschlossen, dass die EZB den Einlagesatz bis Ende des Jahres in zwei Schritten um jeweils 25 Basispunkte auf dann 0,0 Prozent anheben und damit die Last des negativen Einlagensatzes von den Banken der Eurozone nehmen könnte. Der Sub-Index der europäischen Banken legte um 0,2 Prozent zu. Die Aktie der Deutschen Bank gewann knapp 5 Prozent und notierte auf dem höchsten Stand seit knapp vier Jahren.
Technikaktien schwach
Mit heftigem Gegenwind hatten an der Börse, auch mit Blick auf die steigenden Marktzinsen, die Aktien aus dem Technologiesektor (-3,5%) zu kämpfen. Zudem lieferten aus den USA die Schwergewichte wie der Facebook-Konzern Meta sowie Spotify enttäuschende Geschäftszahlen. "Die Berichtssaison hat ihre erste ganz große Enttäuschung", kommentierte QC Partners. Für die Infineon-Aktie ging es nach guten Geschäftszahlen um 4,9 Prozent nach unten. Bemängelt wurde an der Börse nach einem guten Start in das Jahr ein doch sehr konservativer Ausblick von Infineon, der einige Anleger verstimmte. Die Titel litten aber auch unter dem schwachen Umfeld für Technologiewerte.
Im Industriegütersektor fielen die Geschäftszahlen der Schweizer ABB durchwachsen aus. Während der Umsatz im vierten Quartal leicht über den Erwartungen liege, habe der operative Gewinn den Konsens knapp verfehlt, hieß es. Die Aktie büßte 2,5 Prozent ein.
T-Aktie mit Rückenwind von US-Tochter
Nach Zahlenausweis der Tochter T-Mobile US ging es für den Kurs der Deutschen Telekom um 2,6 Prozent nach oben. Die DZ Bank wertete das Rekordergebnis der US-Tochter im vergangenen Jahr als "klar positiv" auch für die Konzernmutter. Der anfängliche Ausblick für das laufende Jahr erscheine aber eher konservativ, er dürfte im Laufe des Jahres angehoben werden. Gleichwohl dürften die Marktteilnehmer "sicherlich noch mehr Tiefstapeln befürchtet" haben.
Für Roche ging es dagegen um 3,3 Prozent nach unten. "Das Zahlenwerk offenbart ähnliche Schwächen wie schon bei Novartis", sagte ein Händler. Während die Umsätze stiegen, enttäusche die Gewinnentwicklung. Publicis gewinnen dagegen 0,5 Prozent. Das Verlagshaus hat laut der Citigroup die Erwartungen deutlich geschlagen. Das bessere organische Wachstum von 9,3 Prozent, dem eine Marktschätzung von 6,1 Prozent entgegenstehe, spiegele sich in besseren Margen, besseren Ergebnissen, einem besseren Cashflow sowie einer geringeren Verschuldung wider.
BT verloren 4,8 Prozent, nachdem der Telekomkonzern in den ersten neun Monaten seines Geschäftsjahrs einen Umsatz- und Gewinnrückgang verzeichnet hatte. Ursächlich seien Lieferkettenprobleme gewesen. Außerdem habe sich die Erholung von den Folgen der Covid-19-Pandemie verzögert, so ein Händler.
=== Index Schluss- Entwicklung Entwicklung Entwicklung stand absolut in % seit Jahresbeginn Euro-Stoxx-50 4.141,02 -81,03 -1,9% -3,7% Stoxx-50 3.737,04 -67,12 -1,8% -2,1% Stoxx-600 468,63 -8,38 -1,8% -3,9% XETRA-DAX 15.368,47 -245,30 -1,6% -3,3% FTSE-100 London 7.529,15 -53,85 -0,7% +2,7% CAC-40 Paris 7.005,63 -109,64 -1,5% -2,1% AEX Amsterdam 748,81 -16,75 -2,2% -6,2% ATHEX-20 Athen 2.298,57 -24,78 -1,1% +7,3% BEL-20 Brüssel 4.066,92 -56,10 -1,4% -5,6% BUX Budapest 52.284,64 -625,50 -1,2% +3,1% OMXH-25 Helsinki 5.288,85 -86,82 -1,6% -3,5% ISE NAT. 30 Istanbul 2.153,96 -52,11 -2,4% +6,4% OMXC-20 Kopenhagen 1.687,89 -48,52 -2,8% -9,5% PSI 20 Lissabon 5.627,96 -48,81 -0,9% +0,2% IBEX-35 Madrid 8.689,40 -23,80 -0,3% -0,3% FTSE-MIB Mailand 27.088,96 -299,77 -1,1% +0,2% RTS Moskau 1.431,99 -31,91 -2,2% -10,3% OBX Oslo 1.062,40 -9,84 -0,9% -0,6% PX Prag 1.438,35 +7,40 +0,5% +0,9% OMXS-30 Stockholm 2.277,67 -46,81 -2,0% -5,9% WIG-20 Warschau 2.235,15 -17,77 -0,8% -1,4% ATX Wien 3.916,87 -22,84 -0,6% +2,0% SMI Zürich 12.234,15 -126,22 -1,0% -5,0% Rentenmarkt zuletzt absolut +/- YTD Dt. Zehnjahresrendite 0,14 +0,10 +0,32 US-Zehnjahresrendite 1,83 +0,05 +0,32 DEVISEN zuletzt +/- % Do, 8:55 Mi, 17:32 % YTD EUR/USD 1,1424 +1,1% 1,1295 1,1297 +0,5% EUR/JPY 131,25 +1,5% 129,44 129,17 +0,3% EUR/CHF 1,0526 +1,3% 1,0400 1,0381 +1,5% EUR/GBP 0,8400 +0,9% 0,8332 0,8331 -0,0% USD/JPY 114,88 +0,4% 114,52 114,34 -0,2% GBP/USD 1,3601 +0,2% 1,3556 1,3559 +0,5% USD/CNH (Offshore) 6,3566 -0,0% 6,3679 6,3623 +0,0% Bitcoin BTC/USD 36.712,00 -0,9% 37.050,11 37.219,92 -20,6% ROHÖL zuletzt VT-Settl. +/- % +/- USD % YTD WTI/Nymex 88,85 88,26 +0,7% 0,59 +18,7% Brent/ICE 89,96 89,47 +0,5% 0,49 +16,1% METALLE zuletzt Vortag +/- % +/- USD % YTD Gold (Spot) 1.807,04 1.806,77 +0,0% +0,27 -1,2% Silber (Spot) 22,44 22,83 -1,7% -0,38 -3,7% Platin (Spot) 1.032,65 1.036,40 -0,4% -3,75 +6,4% Kupfer-Future 4,48 4,50 -0,4% -0,02 +0,3% ===
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DJG/thl/flf
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February 03, 2022 12:23 ET (17:23 GMT)
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