Regensburg (ots) -
Es war schon ein Novum in der Geschichte der bundesdeutschen Staatsoberhäupter, dass sich ein Amtsinhaber selbst für eine zweite Wahlperiode vorschlägt. Der gestern, wie erwartet mit satter Mehrheit in der Bundesversammlung wiedergewählte, Frank Walter Steinmeier zeigte mit seinem Vorpreschen vom Mai vorigen Jahres, dass er ein gewiefter Taktierer ist. Seinerzeit war der Ausgang der Bundestagswahl und damit die Zusammensetzung des Wahlgremiums noch völlig unklar.
Der Ex-Außenminister setzte damals nicht nur seine ehemalige Partei, die SPD, sondern auch alle anderen maßgeblichen Parteien unter Druck. Sie waren gezwungen, sich zur Personalie Steinmeier zu verhalten - ihn zu unterstützen oder abzulehnen und, noch schwieriger, eine Alternative ins Rennen zu schicken. Doch weder die späteren Ampel-Koalitionäre Grüne und FDP oder die oppositionelle Union hatten eine Kandidatin oder einen Kandidaten zur Hand, die oder der Steinmeier ernsthaft hätte Konkurrenz machen können. Ein wenig wirkte die gestrige Wahl in ihrer Corona-trotzenden Routine so, als wenn der Serien-Fußballmeister FC Bayern München von drei Kreisklasse-Mannschaften herausgefordert würde. Allerdings können auch vermeintliche Außenseiter dem Favoriten ein Bein stellen. Oder zumindest Achtungserfolge einfahren.
Dass Steinmeier die Kunst des Taktierens meisterhaft beherrscht, hat der einstige Vertraute von Gerhard Schröder in der Vergangenheit bereits oft bewiesen. Er war einer der maßgeblichen Architekten der Hartz-Reformen vor beinahe 20 Jahren. Später bootete er im SPD-internen Rennen um die Kanzlerkandidatur den glücklosen Parteichef Kurt Beck aus. Dass er als einstiger Kanzleramtschef freilich mit dazu beitrug, dass der fälschlicherweise in Guantanamo inhaftierte Murat Kurnaz nicht nach Deutschland ausgeliefert wurde, war kein Ruhmesblatt. Eine Entschuldigung steht bis heute aus.
Erfolgreich im Sinne der Staatsräson war freilich sein Taktieren, als er die SPD Ende 2017 in eine erneute große Koalition drängte. In der quälenden Corona-Krise versucht sich Steinmeier nun als eine Art Kummerkasten. Er bringt unterschiedliche Menschen und Haltungen zusammen, lässt etwa Impfgegner und -Befürworter miteinander reden. Doch zu selten war die Orientierung durch den Präsidenten dabei klar und eindeutig. Das Gerede von einer "Impfdiktatur" hat er freilich zu Recht als böswilligen Unsinn abgekanzelt.
Dass Steinmeier gestern von einer breiten politischen Mehrheit gewählt wurde, bietet auch eine große Chance. Das wiedergewählte Staatsoberhaupt sollte seine zweite Amtszeit dazu nutzen, sichtbarer und vor allem mutiger zu agieren. Der erste Mann im Staat darf kein Wohlfühl-Grüß-August sein. Er muss nicht nur Brückenbauer sein, sondern auch klare Kante gegen politische Extremisten und Feinde der Demokratie von ganz rechts oder ganz links zeigen. Klare Kante gegen unverbesserliche Corona-Leugner, Verquerdenker und offene Feinde der Staatsmacht, ist mehr denn je notwendig. Und Steinmeier sollte, wenn es notwendig ist, auch der Ampel-Regierung und der übrigen politischen Klasse laut und deutlich die Leviten lesen. Das hat er bislang weitgehend vermieden. Doch nun gibt es keine taktischen Zwänge mehr für diplomatische Zurückhaltung. Steinmeiers klare Warnung an Wladimir Putin, die Stärke der Demokratien nicht zu unterschätzen, gestern klang bereits wie: Ich habe verstanden.
Auf jeden Fall jedoch sollten die nächsten fünf Jahre genutzt werden, um kluge Frauen als Kandidatinnen für das höchste Staatsamt zu finden und aufzubauen. Das gilt für alle Parteien. Steinmeier sollte endlich eine Nachfolgerin bekommen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat in ihrer bemerkenswerten Rede Steinmeier gleichsam ein Motto vorgegeben: Die Mehrheit hat nicht automatisch Recht, aber die Minderheit auch nicht.
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Es war schon ein Novum in der Geschichte der bundesdeutschen Staatsoberhäupter, dass sich ein Amtsinhaber selbst für eine zweite Wahlperiode vorschlägt. Der gestern, wie erwartet mit satter Mehrheit in der Bundesversammlung wiedergewählte, Frank Walter Steinmeier zeigte mit seinem Vorpreschen vom Mai vorigen Jahres, dass er ein gewiefter Taktierer ist. Seinerzeit war der Ausgang der Bundestagswahl und damit die Zusammensetzung des Wahlgremiums noch völlig unklar.
Der Ex-Außenminister setzte damals nicht nur seine ehemalige Partei, die SPD, sondern auch alle anderen maßgeblichen Parteien unter Druck. Sie waren gezwungen, sich zur Personalie Steinmeier zu verhalten - ihn zu unterstützen oder abzulehnen und, noch schwieriger, eine Alternative ins Rennen zu schicken. Doch weder die späteren Ampel-Koalitionäre Grüne und FDP oder die oppositionelle Union hatten eine Kandidatin oder einen Kandidaten zur Hand, die oder der Steinmeier ernsthaft hätte Konkurrenz machen können. Ein wenig wirkte die gestrige Wahl in ihrer Corona-trotzenden Routine so, als wenn der Serien-Fußballmeister FC Bayern München von drei Kreisklasse-Mannschaften herausgefordert würde. Allerdings können auch vermeintliche Außenseiter dem Favoriten ein Bein stellen. Oder zumindest Achtungserfolge einfahren.
Dass Steinmeier die Kunst des Taktierens meisterhaft beherrscht, hat der einstige Vertraute von Gerhard Schröder in der Vergangenheit bereits oft bewiesen. Er war einer der maßgeblichen Architekten der Hartz-Reformen vor beinahe 20 Jahren. Später bootete er im SPD-internen Rennen um die Kanzlerkandidatur den glücklosen Parteichef Kurt Beck aus. Dass er als einstiger Kanzleramtschef freilich mit dazu beitrug, dass der fälschlicherweise in Guantanamo inhaftierte Murat Kurnaz nicht nach Deutschland ausgeliefert wurde, war kein Ruhmesblatt. Eine Entschuldigung steht bis heute aus.
Erfolgreich im Sinne der Staatsräson war freilich sein Taktieren, als er die SPD Ende 2017 in eine erneute große Koalition drängte. In der quälenden Corona-Krise versucht sich Steinmeier nun als eine Art Kummerkasten. Er bringt unterschiedliche Menschen und Haltungen zusammen, lässt etwa Impfgegner und -Befürworter miteinander reden. Doch zu selten war die Orientierung durch den Präsidenten dabei klar und eindeutig. Das Gerede von einer "Impfdiktatur" hat er freilich zu Recht als böswilligen Unsinn abgekanzelt.
Dass Steinmeier gestern von einer breiten politischen Mehrheit gewählt wurde, bietet auch eine große Chance. Das wiedergewählte Staatsoberhaupt sollte seine zweite Amtszeit dazu nutzen, sichtbarer und vor allem mutiger zu agieren. Der erste Mann im Staat darf kein Wohlfühl-Grüß-August sein. Er muss nicht nur Brückenbauer sein, sondern auch klare Kante gegen politische Extremisten und Feinde der Demokratie von ganz rechts oder ganz links zeigen. Klare Kante gegen unverbesserliche Corona-Leugner, Verquerdenker und offene Feinde der Staatsmacht, ist mehr denn je notwendig. Und Steinmeier sollte, wenn es notwendig ist, auch der Ampel-Regierung und der übrigen politischen Klasse laut und deutlich die Leviten lesen. Das hat er bislang weitgehend vermieden. Doch nun gibt es keine taktischen Zwänge mehr für diplomatische Zurückhaltung. Steinmeiers klare Warnung an Wladimir Putin, die Stärke der Demokratien nicht zu unterschätzen, gestern klang bereits wie: Ich habe verstanden.
Auf jeden Fall jedoch sollten die nächsten fünf Jahre genutzt werden, um kluge Frauen als Kandidatinnen für das höchste Staatsamt zu finden und aufzubauen. Das gilt für alle Parteien. Steinmeier sollte endlich eine Nachfolgerin bekommen. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hat in ihrer bemerkenswerten Rede Steinmeier gleichsam ein Motto vorgegeben: Die Mehrheit hat nicht automatisch Recht, aber die Minderheit auch nicht.
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