(neu: "FT")
ZÜRICH (dpa-AFX) - Die schweizerische Credit Suisse steht laut Medienberichten unmittelbar vor der Bekanntgabe des Rücktritts ihres Konzernchefs Thomas Gottstein. Die Bank, die am Mittwoch ihre Zahlen zum Halbjahr publiziert, wollte sich am Dienstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP zum Sachverhalt jedoch nicht äußern.
"Wir kommentieren Spekulationen nicht", sagte eine Sprecherin der Bank. Zuvor hatte "Wall Street Journal" berichtet, dass der Rücktritt von Gottstein ein Teil der Bemühungen sei, den Turnaround bei der kriselnden Bank zu schaffen. Wer für die Nachfolge von Gottstein im Gespräch sei, habe man jedoch nicht klären können.
Der Zeitpunkt des Ausscheidens stehe auch noch nicht fest, so die US-Zeitung weiter. Eine Ankündigung des Rücktritts könnte aber bereits am Mittwoch erfolgen, wurden mit der Sache vertraute Personen zitiert.
Die "Financial Times" (FT) meinte später, einige dieser Wissenslücken füllen zu können. Gottstein-Nachfolger werde der Chef der Vermögensverwaltungssparte von Credit Suisse, Ulrich Körner, so das Blatt. Die Personalie dürfte am Mittwochmorgen im Zuge der Veröffentlichung von Quartalszahlen bekanntgegeben werden, hieß es weiter unter Berufung auf vier mit den Plänen vertraute Personen.
Credit Suisse hatte im Juni angekündigt, dass sie ihren dritten Quartalsverlust in Folge ausweisen werde. Ins Minus gezogen wird das Gesamtergebnis laut den Angaben von einem Verlust der Investment Bank. Die Division dürfte in den vergangenen Monaten stark unter dem schwierigen Finanzmarkt-Umfeld gelitten haben.
Gottstein leitet die Bank seit Mitte Februar 2020. Vorgänger Tidjane Thiam hatte wegen einer Beschattungsaffäre zurücktreten müssen.
Unter Gottsteins Ägide hat die Bank jedoch erneut eine Reihe von kostspieligen Debakeln erlitten, darunter die Zusammenbrüche von Greensill Capital und Archegos Capital Management Anfang 2021. Gottstein soll nun eigentlich die Sanierung der Bank leiten.
Doch riss die Welle der negativen Berichterstattung nie ab. So wurde am Dienstag bekannt, dass die Bank laut einem Gericht in den Bermudas 607 Millionen Dollar in einem Streitfall mit dem früheren georgischen Regierungschef Bidzina Ivanishvili bezahlen muss.
Das Gericht auf der karibischen Inselgruppe hatte Credit Suisse Ende März zu einer Zahlung an Ivanishvili verurteilt. Allerdings hatte es zunächst die genaue Urteilssumme noch offen gelassen. Die schweizerische Großbank hatte umgehend angekündigt, das Urteil anzufechten.
Ende April hatte Credit Suisse-Verwaltungsratspräsident Axel Lehmann dem unter Beschuss geratenen Gottstein allerdings noch den Rücken gestärkt. Die Rückkehr der krisengeschüttelten Großbank in die richtige Spur solle gemeinsam mit Gottstein geschafft werden, hatte Lehmann in einem Interview gesagt.
Er habe Gottstein nicht ersetzt, weil dieser gut sei, betonte Lehmann. "Er kennt die Investmentbank, die Vermögensverwaltung und das Schweizer Geschäft. Bei so vielen Neubesetzungen braucht es an der Spitze auch jemanden, der weiß, wie die ganze Organisation tickt und wer die Schlüsselkunden sind." Die Bank habe in der Führung im Moment eine gute Mischung aus Kontinuität und Veränderung.
Angesprochen auf die Turbulenzen der vergangenen Monate hielt Lehmann fest: "Wir sind in einem Formtief. Aber die Credit Suisse ist nach wie vor eine gute Bank mit viel Substanz." Sie habe eine Governance-Krise, ein Vertrauensproblem und müsse konsequent Altlasten abarbeiten. "Es darf keine solche Häufung von unerfreulichen Überraschungen mehr geben."
Die Aktie von Credit Suisse leidet derweil stark unter dem Formtief der Bank. Kostete sie an der schweizerischen Börse noch im Februar 2021 rund 13 Schweizer Franken, so ist das Papier inzwischen für etwas mehr als fünf Franken zu haben. Und diesen Monat fiel die Aktie erstmals gar kurzzeitig unter diese Schwelle./kw/jb/AWP/he