Berlin (ots) -
Spannender war die Berliner Politik selten. In versiegelten Boxen ruhen bereits seit vielen Stunden im Kurt-Schumacher-Haus die Stimmzettel der 11.450 SPD-Mitglieder, die über den schwarz-roten Koalitionsvertrag abgestimmt haben. Nicht einmal die bestinformierten Insider wissen, ob es für Kai Wegner (CDU) und Franziska Giffey (SPD) gereicht hat.
Sind die Stimmzettel von den 60 Mitgliedern der Zählkommission ausgewertet, wird das Ergebnis Berlin in jedem Fall verändern. Ganz egal, ob der Vertrag angenommen oder abgelehnt wird.
Damit wächst den wenigen SPD-Mitgliedern eine politische Macht zu, die in keinem Verhältnis zur Gestaltungsmöglichkeit der restlichen fast 2,5 Millionen Berliner Wahlberechtigten steht. Sie können das Spektakel nur passiv verfolgen und fragen sich, warum eine so kleine Minderheit über die Zukunft der Stadt entscheiden darf. Das ist die weniger demokratische Kehrseite von Mitgliederentscheiden, die daher von vielen zu Recht skeptisch betrachtet werden.
Reicht es für Schwarz-Rot, hat die Stadt wieder die Chance, politische Lager zu versöhnen. In den rot-grün-roten Jahren hat die Berliner Politik einen harten Linksruck erfahren und zu viele Menschen politisch liegen gelassen. Es ist für die Demokratie gut, wenn das Pendel wieder zurück zu mehr bürgerlicher Vernunft schlägt und sich von Enteignungsfantasien deutlich entfernt. Rot-Grün-Rot hatte seine Chance und hat - da ist das lächerliche Hin und Her um die Friedrichstraße ein gutes Beispiel - bewiesen, dass Ideologie noch lange keine gute Stadtpolitik macht. Franziska Giffey hat genau das gespürt und folgerichtig selbst Rot-Grün-Rot für beendet erklärt.
Sollte Kai Wegner am kommenden Donnerstag im Abgeordnetenhaus gewählt werden, bekommt die Stadt nach 22 Jahren wieder einen CDU-Bürgermeister, der das konservativere Milieu bedient. Dabei ist er sichtbar bemüht, nicht wie ein Umweltignorant daherzukommen. Und er ist ganz sicher kein "Rassist", nur weil seine Partei nach der Herkunft der Täter bei den Silvesterkrawallen gefragt hat. Allein an dieser Wortwahl kann man erkennen, dass die politische Debatte in der Stadt jeden Maßstab verloren hat.
Mit Schwarz-Rot wird Berlin aus der politischen Mitte regiert und nimmt daher mehr Menschen mit als bisher. Mehr als 68 Prozent der Berlinerinnen und Berliner haben weder Linke noch Grüne gewählt. Das scheinen viele in der Stadt vergessen zu haben, die mit der Brechstange Rot-Grün-Rot ein weiteres Mal durchdrücken wollen.
Und wenn die SPD-Mitglieder mit ihrem Votum Schwarz-Rot verhindert haben? Dann springt in einer Metropole, die dringend Veränderungen braucht, alles wieder auf null. Die Politik kümmert sich wieder um Mehrheiten und nicht um Probleme. Und die Berliner Sozialdemokratie liegt erst mal am Boden.
Nach Abklingen des Triumphgeheuls der NoGroko-Anhänger müssten die Genossen einen riesigen Scherbenhaufen beseitigen. Franziska Giffey wäre mit 44 Jahren als politische Hoffnungsträgerin abserviert. Die Partei würde weiter nach links rücken und bei einer Neuauflage von Rot-Grün-Rot sicher weniger Gewicht haben. Wenn sie sogar nicht ganz in der Opposition landet, weil Kai Wegner vielleicht doch ein schwarz-grünes Wunder hinbekommt.
Und Berlin hätte einmal mehr wertvolle Zeit für einen dringend benötigten Aufbruch vertändelt.
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Spannender war die Berliner Politik selten. In versiegelten Boxen ruhen bereits seit vielen Stunden im Kurt-Schumacher-Haus die Stimmzettel der 11.450 SPD-Mitglieder, die über den schwarz-roten Koalitionsvertrag abgestimmt haben. Nicht einmal die bestinformierten Insider wissen, ob es für Kai Wegner (CDU) und Franziska Giffey (SPD) gereicht hat.
Sind die Stimmzettel von den 60 Mitgliedern der Zählkommission ausgewertet, wird das Ergebnis Berlin in jedem Fall verändern. Ganz egal, ob der Vertrag angenommen oder abgelehnt wird.
Damit wächst den wenigen SPD-Mitgliedern eine politische Macht zu, die in keinem Verhältnis zur Gestaltungsmöglichkeit der restlichen fast 2,5 Millionen Berliner Wahlberechtigten steht. Sie können das Spektakel nur passiv verfolgen und fragen sich, warum eine so kleine Minderheit über die Zukunft der Stadt entscheiden darf. Das ist die weniger demokratische Kehrseite von Mitgliederentscheiden, die daher von vielen zu Recht skeptisch betrachtet werden.
Reicht es für Schwarz-Rot, hat die Stadt wieder die Chance, politische Lager zu versöhnen. In den rot-grün-roten Jahren hat die Berliner Politik einen harten Linksruck erfahren und zu viele Menschen politisch liegen gelassen. Es ist für die Demokratie gut, wenn das Pendel wieder zurück zu mehr bürgerlicher Vernunft schlägt und sich von Enteignungsfantasien deutlich entfernt. Rot-Grün-Rot hatte seine Chance und hat - da ist das lächerliche Hin und Her um die Friedrichstraße ein gutes Beispiel - bewiesen, dass Ideologie noch lange keine gute Stadtpolitik macht. Franziska Giffey hat genau das gespürt und folgerichtig selbst Rot-Grün-Rot für beendet erklärt.
Sollte Kai Wegner am kommenden Donnerstag im Abgeordnetenhaus gewählt werden, bekommt die Stadt nach 22 Jahren wieder einen CDU-Bürgermeister, der das konservativere Milieu bedient. Dabei ist er sichtbar bemüht, nicht wie ein Umweltignorant daherzukommen. Und er ist ganz sicher kein "Rassist", nur weil seine Partei nach der Herkunft der Täter bei den Silvesterkrawallen gefragt hat. Allein an dieser Wortwahl kann man erkennen, dass die politische Debatte in der Stadt jeden Maßstab verloren hat.
Mit Schwarz-Rot wird Berlin aus der politischen Mitte regiert und nimmt daher mehr Menschen mit als bisher. Mehr als 68 Prozent der Berlinerinnen und Berliner haben weder Linke noch Grüne gewählt. Das scheinen viele in der Stadt vergessen zu haben, die mit der Brechstange Rot-Grün-Rot ein weiteres Mal durchdrücken wollen.
Und wenn die SPD-Mitglieder mit ihrem Votum Schwarz-Rot verhindert haben? Dann springt in einer Metropole, die dringend Veränderungen braucht, alles wieder auf null. Die Politik kümmert sich wieder um Mehrheiten und nicht um Probleme. Und die Berliner Sozialdemokratie liegt erst mal am Boden.
Nach Abklingen des Triumphgeheuls der NoGroko-Anhänger müssten die Genossen einen riesigen Scherbenhaufen beseitigen. Franziska Giffey wäre mit 44 Jahren als politische Hoffnungsträgerin abserviert. Die Partei würde weiter nach links rücken und bei einer Neuauflage von Rot-Grün-Rot sicher weniger Gewicht haben. Wenn sie sogar nicht ganz in der Opposition landet, weil Kai Wegner vielleicht doch ein schwarz-grünes Wunder hinbekommt.
Und Berlin hätte einmal mehr wertvolle Zeit für einen dringend benötigten Aufbruch vertändelt.
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